Die neuen Held*innen
Einen besonders heldischen Eindruck macht Clara nicht. Alleinstehend, Mitte 40, mit heftig pubertierendem Sohn, der beim Vater und seiner neuen Freundin lebt und den sie nur am Wochenende sieht. Sie ist eine von Ewald Palmetshofers «Verlorenen», dem Stück des Jahres, die zwar erkennbar von der Erfolgsspur abgekommen sind, die eine urbane Mittelklasse vorzeichnet, aber wo sie dabei genau gelandet sind, ist nicht so richtig auszumachen.
Gescheiterte? Vor wem und an was? Sie alle befinden sich nach wie vor in einem halbwegs gesicherten sozialen Gefüge dieses Landes, sie alle sind vielleicht abrutschgefährdet, aber noch lange nicht abgestürzt, sind mit ihren Leben allerdings mehr oder weniger unter den eigenen Erwartungen geblieben. Vereinzelt, aber nicht bindungslos, nimmt sich Clara eine Auszeit, sucht Distanz und Klarheit in einem unübersichtlich gewordenen Leben, tritt einen Schritt heraus aus einer Gewohnheitsordnung, in der sie sich fremd geworden ist. Am Ende stirbt sie, ein letztes Mal aus dem Gleichgewicht geraten, einen eher zufälligen, reichlich überflüssigen und maximal grausamen Tod.
«Helden» ist ein schlüpfriges Wort. In Krisen verwendet man es für die vielen tapferen ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute Jahrbuch 2020
Rubrik: Höhepunkte des Jahres, Seite 92
von Franz Wille
Sie sind dreizehn. Sie sind Tänzerinnen. Sie sind ambitioniert. Sie sind Freundinnen. Sie sind Konkurrentinnen. Sie entdecken ihren Körper, und ihr Körper entdeckt sie. Sie sind voller Kraft. Sie wollen siegen. Zusammen sind sie eine kleine Armee. Zuzu, Ashlee, Amina, Conny, Sofia, Maeve und Luke. Sie wollen die Welt verändern, und sie könnten es; ob es gelingt –...
Schon seit der Erfindung der modernen Polizei gehören zu ihrer grundlegenden Architektur der unauflösbare Widerspruch zwischen Recht und Unrecht und ein unkontrollierbares Gewaltpotenzial. Dieser Gedanke hat Björn SC Deigner dazu bewogen, Friedrich Schillers Fragment «Die Polizey» als Ausgangspunkt für die eigene Fortschreibung und Untersuchung der dunklen Punkte...
Es ist Tobias’ Einschulung. Der Vormittag ist überstanden, jetzt sitzt er im Wohnzimmer des neugebauten Hauses, mit einer viel zu großen Schultüte. Um ihn rum die Familie, mehr mit sich selbst beschäftigt als mit ihm. Altbekannte Gespräche, Floskeln, Rituale. Irgendwann geht Tobias nach oben in sein Zimmer. «Es fiel gar nicht mehr auf, dass er nicht mehr auf dem...