Die Gebärdensammler

Botho Strauß «Die eine und die andere»

Einverständiges Raunen geht durch den Silbersee im Parkett der Reper­toirevorstellung an einem Dienstagabend, wenn Lissie von der früheren Lachlust der alten Freunde erzählt: «Wahrscheinlich können wir uns heu­te wegen erhöhten Blutdrucks ein solch gewaltiges Gelächter gar nicht mehr leisten.»
Diese Lissie spielt Jutta Lampe, ihre Lebensfreundfeindin Insa wird von Edith Clever – das Wort trifft den Sachverhalt – «gegeben», am Regiepult saß Luc Bondy, das Bühnenbild hat Karl-Ernst Herrmann eingerichtet, und das Stück ist von Botho Strauß.

Nur das Theater hat sich geändert. Nicht mehr an der alten Stätte der Triumphe aus den Siebzigern und Acht­zigern, Peter Steins Schaubühne, kommt man zusammen, sondern an Claus Peymanns (keineswegs mehr Brechts!) Berliner Ensemble. Da das Stück davon handelt, was aus den individualistischen und aufgeklärten Le­ben, Träumen und Kindern zweier einst aufbruchsfreudiger Frauen der 68er-Generation geworden ist, darf man an diesen Theaterabend die selbstbezügliche Frage stellen: Wie hält man’s oben auf der Bühne mit der eigenen Vergangenheit?
Die Bilanz, welche Botho Strauß seinen Generationsgenossen aufmacht, fällt, wie nicht anders zu erwarten, ...

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Theater heute Mai 2005
Rubrik: Chronik, Seite 36
von Franz Wille

Vergriffen
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