Die Abwesenheit von Harmonie
Wenn in der nächsten Woche die Regierung zurücktritt, darf auf Demonstrationen getanzt werden», beendet Heiner Müller seine Rede am 4. November 1989 auf dem Alexanderplatz. Zukunftsbesorgt hatte er davor zur «Gründung freier Gewerkschaften» aufgerufen − die Volksstimme buht. Jetzt jubelt sie, eine halbe Million, deren «Euphorie» und «Bedürfnis nach einem Befreiungsrausch» Müller nicht teilen kann.
Als eine unfassbar knappe Woche später dann tatsächlich die Menschen tanzen – und zwar völlig unerwartet über die Mauer hinweg –, ist Müller auf dem Weg zu seinem eigenen Drama nach New York: «Der Auftrag», als szenisches Konzert von Heiner Goebbels.
Mehr als ein Medienwechsel
In Distanz zu den dramatischen Ereignissen um den nur so genannten Eisernen Vorhang erneuert er sein Bekenntnis zu einem demokratischen Sozialismus, der als Alternative zur «stalinistischen Kolonie» vor wenigen Tagen noch möglich schien. Der sechsminütige Fernsehmitschnitt, der die gerade im Alexander-Verlag herausgegebene Sammlung von O-Tonmaterial ergänzt, zeigt einen privilegiert Dienstreisenden, der die Löcher im imperialistischen Schutzwall längst durchschaut: «This revolution now in East Germany is ...
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Theater heute Mai 2011
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Anja Quickert
Etwas vom Äpfel-und-Birnen-Vergleich haf-tet dem Körber Studio Junge Regie in der Gaußstraße in Hamburg jedes Jahr an: Die Performance-Brutstätten Hildesheim und Gießen und beispielsweise das Salzburger Mozarteum mit seinem klassischen Schauspielbegriff liegen in ihrem Selbstverständnis auf denkbar weit entfernten Theaterplaneten – die sich dieses Jahr mehr denn je...
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Drei Komödien von je drei Akten, mehrere Schauplätze (in Livorno im Haus der Bürger Filippo und Leonardo, im nahe gelegenen Landhaus in Montenero), viel Personal, noch mehr Kostüme – wie bringt man dieses Monstrum von einem Stück auf die Bühne? Spitzt man aufs Wesentliche zu, setzt man satirische Akzente und auf höllisches Tempo? Oder
geht man im Gegenteil...