Der poröse Stoff namens Realität

Maria Magdalena Ludewig und Martin Hammer haben die Wiesbaden Biennale neu konzipiert und postdramatisch verzeitgenossenschaftet

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Am Rande eines unwirtlichen Platzes, eines verkehrsumtosten, heißen, öden Steinquadrats, steht ein sorgsam geschichteter Wall aus Sperrmüll. Auf zwei klapprigen Bürostühlen, eingepasst in diesen Wall, sitzen zwei Personen mit weißen T-Shirts und weißen Masken, Regenschirme schützen sie vor der brennenden Sonne. In einem Regal liegt Lesestoff zum verstorbenen Dramatiker Marin Sperr, auf einem Kühlschrank daneben hingestreuselte Plastikblumen, am Boden eine Sammlung von Elefantenfiguren aus Porzellan und Plüsch.

Ein mittelalter Mann in zu engen Jeans kniet sich nieder und arrangiert die Elefanten um. Eine Frau stellt sich einen Blumenstrauß zusammen. Das Kunstwerk wird reorganisiert und geplündert: Die neue Arbeit des bildenden Künstlers Thomas Hirschhorn heißt «SPERR» und hat sich am Wiesbadener Faulbrunnenplatz niedergelassen, auf der Grenze zwischen der jugendstilhübschen Innenstadt und dem migrantisch geprägten Westend mit seinen 1960er-Jahre-Bauten, dort, wo Trinker in den Ecken ihren Rausch ausschlafen. Kein Schild weist die Kunst als solche aus, doch einzelne Buchstaben auf Möbelstücken und den T-Shirts der Sitzenden ergeben das Wort «Wirklichkeit».

Weiter im Zentrum: Europa

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Theater heute Oktober 2016
Rubrik: Festivals, Seite 39
von Esther Boldt

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