Das Verschwinden der Ord

Georg Büchner «Woyzeck»

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Dieser Woyzeck hätte eigentlich ein leichtes Spiel und könnte sich ohne große Not aus seiner Lage befreien. Alle, die ihm Böses wollen, sind nämlich nicht ganz richtig in der Birne: Der Doktor (Peter Reisser) ist ein Zwangsneurotiker und durchgeknallter Rationalist, dem die Wissenschaft und das Denken das Hirn verklebt haben; der Hauptmann (Sascha Römisch) eine ständig unter Strom stehende Obrigkeits-Marionette, der die pure Einfalt zu den Ohren, meist aber schwallend zum Maul herauskommt.

Zwei nur noch witzige Figuren, zwei abgetakelte Jahrmarkts-Attraktionen, für die man keinen Eintritt mehr bezahlen möchte: Bis zur Erschöpfung produzieren sie sich dennoch peinlich im Rampenlicht, traktieren ihre Filzhüte und die Geduld ihrer Mitmenschen, auf Schwachsinn-komm-raus zerstückeln sie ihre Sätze, pressen, kreischen und lallen Unverständliches und Wirres hervor. Und bestehen darauf, dass es klug ist.

Und mittendrin Woyzeck, mit großen, leeren Augen, der glotzt und kein Wort mehr kapiert. Unter seinen Schuhen knirschen die Erbsen, die er doch unaufhörlich in sich reinstopfen sollte, auf denen er ausgleitet. Es gibt keinen festen Boden mehr, ein einziger Sturz ist dieses kurze Leben, in ...

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Theater heute März 2007
Rubrik: Chronik, Seite 39
von Bernd Noack

Vergriffen
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