Das reicht doch nicht!
Engel steigen zu uns herab. Zu einem Drum-Loop, über den sich bald schon die melancholischen Synthesizerklänge von «Streets of Philadelphia» schmiegen, schweben die Akrobaten vom Bühnenhimmel. Einer von ihnen, der mit der regenbogenbunten Glitzerhose und beeindruckend ausdefinierten Rückenmuskulatur, ist Fabian Hinrichs. Kaum hat er sich seines Fluggeschirrs entledigt, greift er lächelnd zum Mikrofon: «Wo sind wir hier? In einem Raum, der zu eng ist oder zu groß für unsere Liebe. Es ist nicht unsere Schuld, dass uns die Liebe nicht gelingt.
» Und während die Akrobaten elegante Räder schlagen oder sich langsam in den Handstand drücken, hüpft Hinrichs fröhlich wie ein junger Gott über die Bühne und verpasst dem Springsteen-Song neue Lyrics: «Ich bin die Straße hinuntergegangen, an den Reihenhäusern vorbei …», und später: «Es reicht uns nicht, es reicht uns nicht. Es fehlt etwas.»
Was nicht zu leben ist, fliegt raus
Das alles erzählt sich wenig spektakulär, aber: Es fängt spitze an. Dass hier fünf Minuten reinsten Theaterglücks entstehen, liegt wahrscheinlich nicht nur am flüssig-lässigen Zusammenspiel von Text und Musik und Bewegung im Raum, sondern an etwas, was man zu diesem ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute März 2012
Rubrik: Aufführungen, Seite 32
von Eva Behrendt
Im Prolog seines «Puntila und sein Knecht Matti» verspricht Brecht Spaß «zentnerweise» und warnt, hier werde mit dem Beil gearbeitet. Irgendwie muss seitdem eine Spaßmaßinflation stattgefunden haben. Brechts Zentner sind heute Gramm. Bei Herbert Fritsch gibts Späße tonnenweise, und gearbeitet wird mit dem Kalauer. Grotesk, ohne Fabel, ohne Figuren, mit der...
Ja, die Zeit. Sie ist schon ein bisschen stur, wie sie so unverdrossen immer nur in eine Richtung voranschreitet und gar keine Wiederholung zulässt. So lautet der Tenor von Elfriede Jelineks Stück, das sich einmal mehr als widerständige Textmasse gibt, sich auf Schuberts «Winterreise» bezieht und ein Triptychon mit persönlichen Tönen ist: Zuerst geht es um die Zeit...
Vermutlich lässt sich in keinem anderen Medium das Nützlichkeitsdenken besser und paradoxer verhandeln als im Theater. Denn dessen Erzeugnisse kann man bekanntlich nicht ins Regal stellen und nicht an die Wand hängen, sie werden nie im Leben einen aktienähnlichen Wertzuwachs erleben, und das Abo im Stadttheater befördert heute nicht mal mehr den sozialen Status....