Crashtests mit Handbremse

Münchner Nachspiele: Elias Perrig zeigt Roland Schimmelpfennigs «Die Frau von früher» am Residenztheater, Boris von Poser Händls «Wilde» an den Kammerspielen

Früher war alles besser. Die Luft frischer, die Zigaretten billiger, und auch die Liebe war noch nicht eine Ansammlung gescheiterter Versuche, sondern die Liebe eben. Das gilt allerdings nur, solange dieses «früher» auch «früher» bleibt. Steht es jedoch eines Tages leibhaftig vor der Tür und tut so, als wäre es gerade mal eine halbe Stunde her, seit man sich zum letzten Mal geküsst hat, dann ist das zweifellos ein Schock.

Was tun, wenn plötzlich die Vergangenheit in der Gegenwart auftaucht und behauptet, die Zukunft zu sein? Frank und seine Frau Claudia sind gerade beim Packen, ein Umzug nach Übersee steht bevor, als Romy Vogt­länder, Franks längst vergessene Jugendliebe, hereinplatzt und sein vor 24 Jahren gegebenes Versprechen ewiger Liebe einlösen will. So einfach, so kompliziert. Was folgt, ist eine systematische Demon­tage bequemer Lebenslügen. Mit ungebremster Wucht kracht der archaische Absolutheitsanspruch in die kompromiss-gepolsterte moderne Bezie­hungs­kiste. Roland Schimmelpfennigs jüngstes Stück «Die Frau von früher» erinnert daran, was Liebe einmal war, eine Ungeheuerlichkeit, und zeigt gleichzeitig, was aus ihr geworden ist, Verhandlungs­masse im emotionalen ...

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Theater heute Mai 2005
Rubrik: Aufführungen, Seite 14
von Silvia Stammen

Vergriffen
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