Bamberg: Auf wackligem Grund

Tena Stivicic «Drei Winter» (DE)

In diesem Jahr erschien endlich auf Deutsch Miroslav Krlezas Mammutroman «Die Fahnen», der auf über 3000 Seiten und am Beispiel Kroatiens minutiös und detailreich ein Panorama der geistesgeschichtlichen und politischen Situation Eu­ropas zu Beginn des 20. Jahrhunderts zeichnet. Kurz und bündig ist die eben nicht zu erzählen, vor allem nicht, wenn es um die Entwicklungen der Habsburger Monarchie geht, die einst strahlte und dann unterging.

Krlezas Buch endet im Jahr 1922, und wenn man so will, ist es die 1977 in Zagreb geborene Schriftstellererin Tena Stivicic, die mit ihrem Stück «Drei Winter» (abgedruckt in TH 8/9_16) die Roman-Geschichte und damit auch die kroatische Wirklichkeit fortschreibt. Und auch bei ihr ist das eine ausufernde Er­zählung über Generationen hinweg, in der sich Schicksale verzahnen und das Private vom Politischen bestimmt wird.

Die deutsche Erstaufführung von «Drei Winter» hat sich das Bamberger E.T.A.-Hoffmann-Theater gesichert, und die Intendantin Sibylle Broll-Pape inszenierte höchstselbst. Wo Stivicic tief in die Zeitläufte eintaucht und die Befindlichkeiten ihrer Figuren penibel ausleuchtet, die Gründe für Widerstand und Anpassung bohrend hinterfragt, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute August/September 2017
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Bernd Noak

Weitere Beiträge
Die Tragik eines Hoffnungslandes

Inmitten des aufgeregten Treibens zwischen Bahnhof und Long Street, dem Herzen Kapstadts, steht ruhig und selbstbewusst die alte Cape Town City Hall. Im edwardischen Stil nach dem zweiten Burenkrieg 1905 gebaut, ist sie jedoch längst nicht mehr nur Symbol von Kolonialzeit und Apartheid. Nelson Mandela hielt 1990 hier wenige Stunden nach der Haftentlassung seine...

Ferngesteuerter Widerstand

Nein, das muss auch Philipp Ruch, der notorisch rußgeschwärzte Chefagitator des Zentrums für politische Schönheit, zugeben, die Jugend von heute, selbst die bayerische, ist besser als ihr Ruf. Die Nachfrage nach professionell organisiertem Widerstand scheint groß. Bereits am ersten Tag des ominösen «Scholl-2017-Schülerwettbewerbs», zu dem das Berliner...

Im Hafen einer globalen Ästhetik

Vor nicht allzu langer Zeit missverstand ein Theatermacher Hamburg fatal als maritim geprägte Stadt. Friedrich Schirmer eröffnete seine Intendanz 2005 am Hamburger Schauspielhaus, indem er der Stadt eine eigenartige Hafenpoesie überstülpte: Er verpasste seinem Theater einen lächerlichen Delfin als Logo, ließ Igor Bauersima Homers «Odyssee» zu einem grauenhaften...