Aneignung und Anerkennung
Vor zehn Jahren hätte das Ensemble aus dem australischen Geelong diesen Preis vermutlich noch nicht erhalten: Der «Ibsen Award», vergeben am Nationaltheater Oslo, der Arbeitsstätte des norwegischen Großdramatikers, ist der höchstdotierte Theaterpreis der Welt, wird gerne «Nobelpreis des Theaters» genannt (auch wenn die knapp 260.000 Euro bei weitem nicht an dessen Preisgeld heranreichen) und gerne an lebende Legenden verliehen; Peter Brook und Ariane Mnouchkine gewannen ihn schon. Nur bei Peter Handke 2014 gab es massive politische Proteste in Oslo.
Die Verleihung an ein inklusives Ensemble, das zwar einen nicht-behinderten Regisseur (Bruce Gladwin) und auch nicht-behinderte Schauspielgäste hat, ansonsten aber seine eigenen Themen setzt, markiert nun vielleicht auch einen Quantensprung in der Debatte um Reprä -sentation im Theater: Wer hat das Recht, für wen zu sprechen, wer erhält ein Forum? Die Preisverleihung am blau glänzenden September-Sonntag am Nationaltheater Oslo, das mit Stuck, rotem Samt und Goldverzierung immer noch so aussieht wie zu Ibsens Zeiten (auch wenn es leider manchmal durch die Decke regnet), holt diese Fragen auch in die Zeremonie herein: Weil das Back to ...
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Theater heute 1 2023
Rubrik: Magazin, Seite 70
von Dorothea Marcus
Während die Britin Caryl Churchill den «Europäischen Dramatiker:innen Preis» 2022 des Schauspiels Stuttgart, dotiert mit 75.000 Euro, am Ende doch nicht erhielt (vgl. TH 12/22), wurde der mit 25.000 Euro dotierte «Europäischen Nachwuchsdramatiker:innen-Preis» tatsächlich an die Ukrainerin Lena Lagushonkova, Autorin von bisher acht Theaterstücken, verliehen. Der...
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«Ich mache keinen Krieg mehr. Es ist gut, dass ich hierhergekommen bin, zu einer Stelle der Welt, wo ich nachdenken konnte, drei Minuten lang. Jetzt können wir weggehn.» Länger braucht Bertolt Brechts Erster-Weltkriegssoldat Fatzer nicht, um sich gegen das Töten, fürs Desertieren zu entscheiden. Wesentlich länger dauerte es auf der Bühne der Mülheimer Stadthalle...