Anatomie Tschechow
Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Falk Richter hat für seine «Kirschgarten»-Inszenierung Tschechows russisches Original einer Agentur gegeben, die üblicherweise auf die Übersetzung von Wirtschaftstexten spezialisiert ist, und auf dieser Grundlage eine Neubearbeitung angefertigt.
Abgesehen von einem souveränen Mangel an Bescheidenheit – ich schreib mir endlich einen besseren Tschechow –, bestrickt die optimistische Erwartungsfreude und der künstlerische Wagemut: Was kommt wohl heraus, wenn man den «Kirschgarten» durch den gleichen Wortfleischwolf dreht, durch den sonst Geschäftsbriefroutinen gehen? Doch wohl hoffentlich keine Geschäftsbriefroutinen?? Die Dramaturgie des Hauses ist jedenfalls von sich selbst angemessen begeistert, lobt das «vielversprechende Experiment» und den auf diese Weise «naturgemäß versachlichten, ökonomisierten Text». Wie schön, dass man sich auch über Geschäftsbriefe freuen kann.
So viele Sympathiepunkte hat Lopachin schon lange nicht mehr gesammelt. Der zu Geld gekommene Bauernsohn ist dem neuen Schaubühnen-Tschechow umstandslos vorangestellt: Bruno Cathomas hat Lopachins neureiche Korpulenz in einen figurfreundlichen Maßanzug gefüllt und auch sonst ...
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Als er im Mai den Autorenpreis des Heidelberger Stückemarkts in Empfang nahm, war er mit seinen glatten Wangen und dem wohlgeordneten Haar noch der Schwarm aller Schwiegermütter. Inzwischen umweht ihn ein Hauch von Grunge, und es sind eindeutig die Töchter der Schwiegermütter gemeint, wenn Volker Schmidt mit Bart und langem Haar auf der Bühne einer Kommune...
Es gibt Momente des Theaters, die man nicht vergisst. 8. November 1981 um 0.37 Uhr: Die Zuschauer der Premiere von «Unsere Welt» – ein langer Abend mit verschiedenen Gegenwartsautoren – erleben auf dem Theatervorplatz des Bochumer Schauspielhauses den Abschluss der Vorstellung unter freiem Himmel, von dem leichter Nieselregen herabfällt. Ein Doppelstockbus der...