Alte Sachlichkeit
Nicolas Stemanns Inszenierung der «Heiligen Johanna der Schlachthöfe» am Deutschen Theater Berlin folgt einer relativ simplen, aber wirkungsvollen Versuchsansordnung. Stemann führt vor, dass Börsenspekulanten und Fleischhändler, der Chor der nervösen Kleinanleger und die naive Johanna, die im Namen des Herrn ans Gute im Menschen und Marktteilnehmer glaubt, hier vor allem eins sind: Theaterfiguren und Show-Profis.
V-Effekt ist gar kein Ausdruck für die Lässigkeit und Überdeutlichkeit, mit der Stemann ausstellt, dass hier jeder nichts als seine (soziale wie theaterhistorische) Rolle und als solche sein eigenes Klischee vorführt. Ständige Rollenwechsel samt der Konkurrenz der Darsteller um die besten Partien («Ich bin der Mauler!» – «Nein, ICH bin der Mauler» etc.) tun ihr Übriges, um keinen unnötigen Ernst aufkommen zu lassen. Ist ja schließlich alles nur Theater.
Gerade als man es sich beim Zuschauen mit dem Gedanken gemütlich gemacht hat, dass diese Ironie vielleicht die schlaueste Art ist, Brechts Klassenkampf- und Börsencrash-Folklore zu servieren ohne in der Nostalgie-Abteilung für rührend unterkomplexe Kitsch-Weltbilder zu landen, wie sie Volker Lösch gerne ...
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Theater heute Jahrbuch 2010
Rubrik: Die Spieler des Jahres, Seite 98
von Peter Laudenbach
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