Alles in drei Prozent?
Man betritt den Theatersaal und ist verstimmt: Da hängt ein riesiger Spiegel und soll uns allen Ernstes «den Spiegel vorhalten»? Geht’s noch? Dieser Eindruck relativiert sich, wenn der riesige, das Publikum spiegelnde Spiegel plötzlich geneigt wird: Der obere Teil droht auf das Publikum zu fallen, wodurch unten auf der Bühne freier, aber enger Raum entsteht, indem die Akteure doppelt sichtbar werden und anstrengende und dramatische Dinge tun können wie durch blutverschmierten Schlamm kriechen.
Der kippende, zu fallen drohende Spiegel wäre nun nicht mehr der reflexive, in dem das Bürgertum sich selbst erkennen und ob seiner Lebenslügen zerknirscht werden soll. Es wäre vielmehr der Spiegel der Narzissten, der nicht der Erkenntnis, sondern der Selbstliebe dient: Dieser würde nun herunterknallen auf dieselben, und ohne Erkenntnis würden sie zermatscht.
Zwei Ideen
Hätte man das vertieft, hätte man was draus machen können. Denn die zentrale Idee in Jonathan Littells «Die Wohlgesinnten» ist nicht einfach, die grauenhaftesten Momente der Menschheitsgeschichte einmal und zur Abwechslung aus Täterperspektive zu erzählen, auch nicht den Skandal zu setzen, dass dieser Täter punktuell und ...
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Theater heute November 2011
Rubrik: Berlin, Seite 14
von Diedrich Diedrichsen
«Abendstunden in Demokratie» – so hieß der Titel eigentlich, der Titel der Neuausgabe von Heinz Berggruens Kolumnen aus der Nachkriegszeit. Es war ein Zitat aus einer Zeitungsanzeige, in der 1946 eine junge Büroangestellte entnazifizierungswilligen Herren Unterricht im Fach Demokratie (oder anderen, ähnlich promiskuitiven Praktiken) anbot. Durch Vertauschung der...
Schon in der ersten Einstellung ahnt man, wohin der Hase läuft. Triumphierend tippt Jodie Foster alias Penelope Longstreet in den Rechner, dass der zehnjährige Ethan Cowen ihrem Sohn Zacharias auf einem Spielplatz in Brooklyn mit einem Stock zwei Schneidezähne ausgeschlagen hat. (Dass Zacharias und seine Bande Ethan zuvor grob zurückgewiesen haben, notiert sie...
Es ist ein strahlender Herbsttag in Wien – aber so sonnig ist es nun auch wieder nicht, dass man die Brille das ganze Gespräch über aufbehalten müsste. Zumal das Treffen im abgedunkelten Erzherzogzimmer im Burgtheater stattfindet. Und der Porträtierte nicht der New Yorker Musiker Lou Reed ist, sondern der Wiener Schauspieler Johannes Krisch.
Aber Krisch ist nun...