Aberwitzig geil

Frauen, Puppen, Afrikaner: Das Festival «Precarious Bodies» am Berliner HAU

Es atmet. Wie eine Gänsehaut über den Rücken, so kriecht das leicht verstärkte Atemgeräusch der sechs Performerinnen in Young Jean Lees «Untitled Feminist Show» hinterrücks in die Ohren. Erst hört man sie nur, dann sieht man sie auch: Zu beiden Seiten der Tribüne schreiten die Frauen langsam auf die weiße Bühne des HAU 2 hinab und sind – nackt. Nicht nackt im landläufigen Sinne von sexy, verführerisch oder auch Biologiebuch-neutral. Sondern geradezu erschreckend nackt.

Egal, ob muskulös durchtrainiert oder adipös aus dem Leim gegangen: Es ist die Nacktheit der Cellulitedellen, Reiterhosen und Hängebrüste, der sehnigen Unterschenkel, definierten Muskeln, ausgemergelten Oberarme, hervortretenden Adern, Falten, Hautunreinheiten und Narben, der Schwangerschaftsstreifen und nach Radikaldiäten erschlafften Hautlappen, der verblassenden Tätowierungen, wuchernden Achselhaare und gestalteten Intimfrisuren, die sich hier großzügig, scham- und schutzlos den Blicken darbietet. Bewusst breit ist das Spektrum der hierfür gecasteten Frauen: von der drahtigen Afrotänzerin über die breithüftige Durchschnittsblondine bis zur bulligen Butch. Und doch macht sie die Nacktheit bei allen Differenzen ...

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Theater heute Juni 2013
Rubrik: Festivals, Seite 40
von Eva Behrendt

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