Sein vor Sinn

Die Spielregeln zwischen Kunst und Leben ändern sich gerade wieder. Über Tschechow und Kapitalismuskritik, Wallenstein-Wiedergänger, Bürger-Sehnsucht und das Theater von Jürgen Gosch. Brecht würde sich wundern.

Theater heute - Logo

Ich bin Milan, sagt Milan, und ich koche gern, wirklich. Dann packt er seine Messer aus, säbelt ein bisschen auf ihnen herum, bis jeder eventuell vorhandene Schliff ruiniert ist und guckt zufrieden ins Publikum. Außer Milan gibt es noch Herbert, Marc und Samuel. Der eine fickt gern, der andere isst gern, und der dritte fühlt sich am wohlsten beim Autofahren oder an den großen Brüsten seiner Ersatzmutter. Nichts Besonderes also, so geht es vielen.


Ende der siebziger Jahre war Marco Ferreris «Das große Fressen» ein Ausbund an Dekadenz, Sinnbild einer wohlstandssatten Zivilisation, die am eigenen Überfluss erstickt. Kapitalismuskritik, die den Kapitalismus für seine Gewinner zu Ende denkt. Nicht an den Klassenverhältnissen wird irgendetwas oder irgendwer scheitern, man wird sich stattdessen großbürgerlich aufwendig und ein klein wenig ergreifend zu Tode konsumieren. Wenn Dimiter Gotscheff in der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, nach wie vor der Zentralbunker der deutschen theatralen Kapitalismuskritik, Ferreris Film zur Bühnenvorlage nimmt, weiß jeder, was gemeint ist. Was zählt zwischen damals und heute, sind die feinen Unterschiede.
Während von der Decke und aus dem Boden ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2006
Rubrik: Über Spielregeln, Seite 106
von Franz Wille

Vergriffen
Weitere Beiträge
Berlin liegt doch am Meer

Theater heute In den letzten Jahren sind viele jüngere, gute und gut ausgebildete Schauspieler und Schauspielerinnen nach Berlin gezogen. Darunter alle, die heute gekommen sind: Anne Tismer ist seit Ende der neunziger Jahre in der Hauptstadt und hat gerade zusammen mit anderen Künstlern ein eigenes freies Theater, das Ballhaus Ost, gegründet, Katharina Schmalenberg...

Verdammt kalt

Erste Geschichte, die von dem Spiegel und von den Scherben handelt», diesen Untertitel trägt der erste Teil des Märchens «Die Schneekönigin» von Hans Christian Andersen. Der Spiegel des Teufels, der alles genau umgekehrt zeigt, wie es ist, stürzt von einem Himmelsflug zu Erde, «wo er in hunderte Millionen, Billionen und noch mehr Stücke» zerspringt. Und nun...

Regeln der Bühne

Wie machen sie das nur, Katharina Schüttler und Felix Goeser, die Hedda Gabler an der Berliner Schaubühne und der Stuttgarter Platonow, erst wenige Jahre am Theater und schon Schauspieler des Jahres? 

Gibt es dafür auch Regeln? Zwei Porträts über die bezwingendsten Darsteller der Saison, deren Bühnenwirkung sich kaum jemand entziehen kann.

...