Der Punkt auf dem Ei

Auf dem Weltmarkt hat die Volksrepublik China den ersten Platz ins Visier genommen – und gute Chancen, ihn auch bald ein­zunehmen. Das Sprechtheater muss allerdings fürchten, auf der Strecke zu bleiben

Im ersten Morgen in Peking steht auf Seite eins der englischsprachigen Zeitung «China Today», dass die Volksrepublik in fünf Jahren die USA auf Platz eins der Wirtschaftsmächte ablösen wird. Möglicherweise, erwägt der Kommentator lässig, auch schon zwei oder drei Jahre früher. Selbstbewusste Einschätzung, sportliche Ansagen: So habe ich mir das neue China vorgestellt. Auf Seite zwei folgen zwei längere Reportagen. Die eine berichtet von der Evakuierung eines 15.

000-Seelen-«Dorfes» nach schwerer Umweltverseuchung durch eine Fabrik, deren Ansiedlung die Dörfler noch vor wenigen Jahren bejubelt hätten; der andere vom Abriss eines staatlichen Altersheimkomplexes im Zentrum von Peking, dessen Bewohner nun privaten Investoren weichen und an den Stadtrand umsiedeln müssen. Obwohl Nachrichten und journalistische Inhalte vom Propagandaministerium gesteuert werden, klingen beide Artikel nicht unkritisch, lassen mehrere Seiten zu Wort kommen. Anscheinend ist die Modernisierung von oben in der Volksrepublik so weit gediehen, dass sie es sich leisten kann einzugestehen, welchen Preis der rasende Fortschritt hat.


Austauschsoffensive

Wo steht in dieser Dynamik das Theater? Prescht es mit dem ...

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Theater heute Dezember 2009
Rubrik: Theater China, Seite 6
von Eva Behrendt

Vergriffen
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