Doppelte Kritik
«Dass die Miliz sich einschifft nach Batavia, den eingebornen Kön’gen dort (...) Raub zum Heil der Haager Krämer abzujagen.»
Diesen Satz von Kleist muss man verstanden haben, will man Philipp Preuss’ Inszenierung des «Zerbrochnen Krugs» im Theater an der Ruhr verstehen. Aber er kommt erst ganz am Schluss.
Also rätselt man herum, warum in der altbekannten Geschichte vom Richter Adam immer wieder Videos von indonesischen Reisbauern und Teeplantagen, von Markenprodukten niederländischer Herkunft wie «Javanse Jongens»-Tabak oder «Douwe Egbert»-Tee eingeblendet werden, oder warum das Logo VOC während der Vorstellung auf der Bühnenrückwand prangt.
Erst spät wird klar, worum es geht: Kleist als Kolonialismuskritiker. Das hat seine Berechtigung. Schließlich war Kleist 1803 in Frankreich drei Monate lang in demselben Gefängnis interniert wie Toussaint Louverture, der Anführer der Sklavenrevolution in Haiti. Kleist kannte sich aus, er wusste, dass in Batavia (heute Djakarta) eine tödliche Fieberepidemie grassierte (die erst später als Malaria identifiziert wurde.) Und VOC war das Label der Vereenigde Oostindische Compagnie, der Niederländischen Ostindiencompagnie, die seit 1600 für die ...
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Theater heute Februar 2025
Rubrik: Chronik, Seite 59
von Gerhard Preußer
Da steht er nun, die Beine breit, Gesicht zur Wand, den Hintern entblößt, und eine Geheimpolizistin scannt den sonst auf gut gepolsterte Bürostühle vertrauenden Allerwertesten des Versicherungsangestellten mit ihrem Smartphone kaltschnäuzig ab. Geht auch gleich viral, das Filmchen. Auf die Klicklust der Community ist Verlass, solange die Bilder die Basic Instincts...
«Keyboard, Flöte, Kartoffelbrei» und «Fieber, Summen, Sorge» heißt es, unterbrochen von «Fernsehverbot, Brettspiele und ‹Trinkflasche, nicht beschriftet›». Zwei Performerinnen bewegen sich dazu im Kreis, krabbeln zunehmend erschöpft über ein paar zusammengeschobene Stühle. Zwischendurch stimmen sie ein Kinderlied an und rufen panisch: nach den Ballettschläppchen,...
Schauspieler können nicht stottern. Besser gesagt: Sie wissen nicht, wie man Stottern richtig spielt. «Typisch ist, dass sie nichts anderes machen, als Silben zu wiederholen», sagt Marianne Vlaschits. Ihr Stottern sei viel zu regelmäßig, es fehlten die langen, verstörenden Pausen. «Das Elementare am echten Stottern ist ja, dass der Rhythmus total zerstört wird.»
Vl...