Kolumne: Frohe Botschaften
Die Spielzeit hatte kaum begonnen, schon liefen wir einem Apostel der FROHEN BOTSCHAFT in die Arme. Als engagierte Dramaturgin am Theater hatte sie im Sommer gleich mehrere internationale Theaterfestivals besucht und war mit positiver Energie vollgepumpt wie ein:e Kraftsportler:in aus love lies bleeding: Fast 52 Prozent der Menschen in Europa glauben noch an die Demokratie super und diese neofaschistische Partei war nicht überall im Osten stärkste Kraft sehr gut und der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung liegt weltweit inzwischen bei 30 Prozent wahnsinn.
Pessimist:innen gibt es natürlich auch am Theater. Sie kommen klassisch geschult daher, intellektuell, phlegmatisch. Sie lieben Tragödie. Gegen jede denkbare Katastrophe sind sie mit Antike gewappnet. Nichts bringt sie aus der Fassung. Dass alles irgendwie zu Ende geht, Menschheit, Demokratie, der Kapitalismus sowieso, das hat schon diese und jener gesagt, zuletzt auch Heiner Müller. Trotzdem sind Pessimist:innen leichter zu ertragen. Sie haben keinen missionarischen Eifer. Es kommt ja eh, wie’s muss. Und das heißt: tragisch.
Die Apostel der FROHEN BOTSCHAFT dagegen haben eine Mission: Sie wollen Optimismus ...
LYNN T MUSIOL, aufgewachsen im Rheinland. lynn t’s Arbeiten beschäftigen sich mit der Verflechtung von Klasse und Begehren, lesbian histories und queerer Ökologie, die in der Praxis des queeren Formens zusammenfließen. Dey ist Mitgründer:in von les dramaturx. Am Schauspielhaus Hamburg zeigt lynn t musiol aktuell die performativ-diskursive Reihe BUCCI × ꒰(・ ‿ ・)꒱. CHRISTIAN TSCHIRNER, geboren 1969 in Lutherstadt Wittenberge, studierte nach einer Ausbildung im Leipziger Zoo Schauspiel an der Berliner Hochschule für Schauspiel Ernst Busch und war an verschiedenen Theatern engagiert. Seit 2009 Dramaturg am Schauspiel Hannover, am Deutschen Schauspielhaus Hamburg und an der Berliner Schaubühne. Autor zahlreicher Stücke unter dem Pseudonym Soeren Voima, Mitbegründer von les dramaturx
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Theater heute November 2024
Rubrik: Magazin, Seite 71
von Lynn T Musiol und Christian Tschirner
Manchmal programmieren Theater Stoffe passgenau zu politischen, gesellschaftlichen, historischen Schlüsselpunkten. Luk Perceval gelang so etwas vergangenen Januar am Hamburger Thalia Theater mit Hans Falladas «Wolf unter Wölfen»: Eine wütende Landbevölkerung rebellierte da gegen die demokratischen Regeln der Weimarer Republik, und parallel zur Premiere wurden...
Gegensätzlicher könnten die Saisoneröffnungen an den beiden großen Hauptstadtbühnen in diesem Herbst kaum ausfallen: «Stille» ist das erste Wort von Anja Schneider, als sie im «Schiff der Träume» am Deutschen Theater anhebt, vom Untergang der k.u.k-Epoche zu erzählen – vom Schiffbruch einer Opernund Arien-Hochglanzkultur, die sich aus aristokratischem Habitus und...
In Frau Yamamotos Haus gibt es viele Wohnungen. Auf Florian Lösches Bühne im Zürcher Pfauen könnten sie in Japan liegen, so filigran muten die sich verschiebenden, sich hebenden und senkenden Transparent -folien an, in denen sich der Raum in ständiger Bewegung strukturiert. Oder aber in Italien, so eisdielenbunt sind die Farben der Folien, so kontrastreich und...