Die grundgereizte Stimmung

Andrea Vilter mag eigentlich keinen Ärger, aber er ist manchmal doch besser als Gleichgültigkeit

Theater heute - Logo

Wann haben Sie sich zuletzt so richtig geärgert, und warum? Die Frage trifft. Ich fühle mich ertappt und gehe im Geiste die Situationen durch, in denen ich zur Beute dieses ungeliebten und unattraktiven Gefühls geworden bin, frage mich, ob ich mich zu oft geärgert habe in letzter Zeit, vielleicht auch zu sehr und womöglich aus zu geringem Anlass? Ich frage mich auch, welche Situationen zur Veröffent -lichung taugen. Alles Berufliche scheint mir zu vertraulich, das Private zu intim und glücklicherweise auch am wenigsten ergiebig.

Das Öffentliche sprengt den Rahmen und übersteigt wahrscheinlich auch meine Möglichkeiten. (Sonst ginge ich hier vielleicht der Frage nach, inwiefern die omnipräsenten Wahlvorhersagen in den Vorberichterstattungen zur unerwünschten selffulfilling Prophecy werden können. Die Sorge einer unbeabsichtigten, aber fatalen Manipulation hat mich schon manches Mal geärgert und gewinnt angesichts der aktuellen politischen Lage an unliebsamer Brisanz.)

Drücke ich mich vor der Aufgabe und will ich mir meinen Ärger nicht eingestehen? Warum ist der kleine Bruder der Wut überhaupt so ein diskreditiertes Gefühl? An sich stehen Emotionen ja hoch im Kurs. Was gefühlt wird, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2024
Rubrik: Ärgernisse, Seite 101
von Andrea Vilter

Weitere Beiträge
Schön war die Zeit

Früher bedeckten mich meine Triggerpunkte wie eine zweite Haut. Man hätte sie benutzen können, um einen hochauflösenden Wut-Avatar von mir zu erstellen und auf den Cyberspace loszulassen. Virtuelle Verwüstung wäre garantiert gewesen. Mit kleinen Abstrichen galt das auch im richtigen Leben, und wenn ich richtiges Leben sage, meine ich natürlich die Kunst.

Im Theater...

Das Leiden der anderen

Vor ein paar Wochen hatten wir die Leseprobe eines Stücks, dessen Probenstart für November angesetzt war. Der künftige Regisseur saß dabei mit seiner künftigen Besetzung, dem Übersetzer, der Dramaturgie und der Intendantin. So werden oft künstlerische Entscheidungen bei uns in Tel Aviv getroffen. In diesem Fall schienen sich alle anwesenden Kollegen in das Stück...

Theater ist Mannschaft

Wann haben Sie sich zuletzt so richtig geärgert, und warum? Nichts leichter, als diese Frage zu beantworten, dachte ich zuerst, und dann wurde es doch schwer, da ich mich im Theater ständig ärgere. Gerade kam ich an ein Theater als Gast zurück, in dem ich länger fest gearbeitet habe, und ein ehemaliger Kollege sagte zu mir, dass er meine Wut in den Sitzungen...