Doppelte Travestie
Ist George Orwells dystopisches Romanmärchen «Farm der Tiere» theatertauglich? Oliver Frljic hat jetzt am Stuttgarter Schauspiel eine eigene Bearbeitung auf die Bühne gebracht – unseren Zeiten angepasst, das Original eingeschmolzen, den Plot verändert. Der Stoff ist und bleibt so oder so aktuell, keine Frage. Es ist überzeitlich plastisch, wie genau Orwell das wirkungsvolle System von Propaganda in Gestalt von Fake News respektive alternativen Fakten analysiert. Wie unter der wiederholten Torpedierung durch Lügen die Gehirne des drangsalierten Tiervolks langsam weichgekocht werden.
Wissen ist Macht, ist eine altbekannte Weisheit der Aufklärung. Wer nicht in der Lage ist, das zu begreifen, glaubt am Ende sogar, dass zwar alle gleich sind, aber manche gleicher. Den gebildeten und sich weiterbildenden schlauen Schweinen, die nach der revolutionären Entmachtung ihres menschlichen Unterdrückers das Regiment auf der Farm übernommen haben, gehen alle auf den Leim: die Hühner, die Schafe, die Pferde, die Kühe, der Esel. Und sie müssen ackern. Der Aufstand gegen ihren Bauern-Schinder und seine Vernichtung hat ihnen nichts gebracht. Sie bleiben ausgebeutete, drangsalierte Untertanen. ...
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Theater heute Juni 2024
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Verena Großkreutz
3.6./MONTAG
22.05, arte: Kennen Sie Kafka?
Tschechische Republik 2024, Regie Pavel Šimák Die Dokumentation zeichnet ein Porträt des Schriftstellers Franz Kafka, gestützt auf jüngste Recherchen und bisher unveröffentlichtes Archivmaterial. Kafka-Biograf Reiner Stach liefert Fakten, die das Bild vom introvertierten Intellektuellen und blassen städtischen Exzentriker...
Körper, Körper, immer wieder Körper! Verletzbare, wütende, sich selbst neu definierende, gegen Zugriffe und Zuschreibungen kämpfende, und ja, auch sterbliche Körper … Die menschliche Existenz in ihrer physischen Ausprägung steht im Fokus des diesjährigen Festivals «Radikal jung». Zu Recht, ist der Körper doch – und daran kann keine KI rütteln – das widerständigste...
Stalin sitzt breitbeinig im Dampfbad. Unter seinem Handtuch wuchert ein Penismonster hervor, träge wie eine Würgeschlange. Ein groteskes Attribut der Tyrannenmacht. Holger Kunkel trägt das Geni-Teil angemessen selbstgefällig zur Schau, er verkörpert hier im Freiburger Großen Haus ja auch den obszönsten Grobian, unter dem die Sowjetunion im 20. Jahrhundert...