Auf der Suche nach dem Kern

Bisher gab es wenig Gegenwind, dafür viel Aufmerksamkeit für Vincent zur Linden. Grenzen sind noch nicht in Sicht

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Wie spielt man einen jungen Mann, der beschlossen hat, Céline Dion zu sein? Und zwar ohne einen Anflug von Overacting oder ironischer Distanz? Die französische Erfolgsdramatikerin Yasmina Reza wühlt in ihrer zugegebenermaßen nicht besonders tiefenscharfen Komödie «James Brown trug Lockenwickler» mit dieser Setzung im Klärschlamm ressentimentbeladener Identitätsdebatten.

Fragen wie Wer darf was sein, sagen oder spielen? und Wie reagiert man darauf? wirbeln da wild durcheinander, wobei vor allem die Eltern aus finanziell abgefedertem Middleclass-Milieu mit ihrer gutgemeinten Schein-Toleranz mehr oder weniger im Dunkeln tappen und sich dabei unfreiwillig als latent rassistisch und anti-woke outen, wenn sie ihren in ein psychiatrisches Wellness-Sanatorium abgeschobenen Sohn besuchen.

Vincent zur Linden als Jacob/Céline gelingt das Kunststück, gleichzeitig traumtänzerisch und sehr geerdet über all diesen Abgründen und Fallstricken zu balancieren. Zum einen, indem er keinen Moment lang den Eindruck erweckt, eine Frau zu spielen, sondern eher wie ein Kind ganz konkret jede Situation als Spielvorgabe aufnimmt. Und zum anderen, indem sich die Frage nach dem binären Geschlecht mit seiner ...

VINCENT ZUR LINDEN, 1994 in Düsseldorf geboren und aufgewachsen, studierte Schauspiel von 2013 bis 2017 an der Otto Falckenberg Schule in München. Vor und während des Studiums gastierte er an den Münchner Kammerspielen, am Münchner Volkstheater und am Düsseldorfer Schauspielhaus. Festengagements in Bielefeld und Basel, seit der Spielzeit 2022/2023 am Münchner Residenztheater

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Theater heute April 2024
Rubrik: Akteure, Seite 38
von Silvia Stammen

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