Von Geistern und Untoten
Minutenlang liegen die Soldaten auf dem mit Steinen übersäten Hügel und stöhnen. Erst leise, dann immer lauter, intensiver. Sie sind irgendwo zwischen tot und lebendig. Dann kommen die Frauen, die Regisseurin Sahar Rahimi «die Insta-Girls» nennt. In pastellfarbenen Leggings und Bustiers, langhaarig, gestylt, clean, sauber, lächelnd. Sie beugen sich über die Leidenden, erst forschend, dann immer forscher. Legen sich neben sie, streicheln sie und beginnen plötzlich, sie zu quälen. Zerren an einem Arm, bis sie ihn, abgerissen, in der Hand halten.
Dem anderen reißen sie die Gedärme aus dem Bauch, schwingen sie wie ein Lasso. Eine filmt mit dem Handy. Am Ende stöhnen auch sie, aber es ist ein orgias -tisches Stöhnen.
Der Chor, sagt Chorleiterin Julia Kiesler im Programmheft, sei «eine Projektionsfläche für den Umgang des Westens mit dem Leid und der Gewalt, die uns umgeben». Meinen die das ernst? Meint das Regieteam, wir würden uns am Leid der Soldaten aufgeilen, uns wünschen, sie zu quälen? Und wenn dem so ist, meint sie, beim Sehen solcher Bilder würden wir diese unsere Haltung überdenken?
Eine seltsame Arbeit hat Rahimi für das Schauspiel Basel abgeliefert. Der Frauenchor aus fünf ...
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Theater heute Juni 2023
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Valeria Heintges
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