Die Frau, die sich traut

Wie Florentina Holzinger, Enkelin des Wiener Aktionismus, es schafft, die Berliner Volksbühne auf Vordermann zu bringen

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Das musste ja mal passieren. Der stets so prall von Touristenbussen befüllte Friedrichstadt-Palast, dieser gigantische Berliner Revuetempel, gibt seinen Spitzenplatz ab. Jetzt darf auch mal die so oft verschriene Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz die Nummer eins sein. Noch mehr «ausverkauft» und noch mehr Applaus geht wirklich nicht.

Auch wenn «Kein Applaus für Scheiße» einst ein Lebensmotto der Wiener Choreografin Florentina Holzinger war, beschert sie dem neuen Berliner Tanzhaus eine Einschaltquote, die Schluss macht mit dem Glauben, das Volk brauche keine Volksbühne, nur weil es RTL schon gibt. 

Bereits 2019 zeigte der Volksbühnenintendant René Pollesch in dem von ihm so geliebten Berliner Friedrichstadt-Palast, wie man im «Glauben an die Möglichkeit der völligen Erneuerung der Welt» die völlige Erneuerung der Revue aus dem Geist eines Schauspielers wie Fabian Hinrichs hinbiegen könnte – auch wenn es ein, sagen wir mal, schlapper Versuch war, seine damals noch künftige Volksbühne dem Volk ein wenig näher zu bringen. Er ließ das Elend dieser Stadt im obligatorischen Glitzerkostüm des Show-Palasts spiegeln, um sich über lustige Widersprüche zwischen Glanz und Konsumkoma zu ...

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Theater heute 11 2022
Rubrik: Aufführungen, Seite 6
von Arnd Wesemann

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