Lob der Leerstellen
Nein, er fischt keine frischen Fische, der Fischer Fritz. Jedenfalls nicht mehr. Er hatte einen Infarkt. Aber von solchen medizinischen Zwischenfällen lässt sich der gute alte Zungenbrecher natürlich nicht ausbremsen, zumindest nicht in der Gegenwartsdramatik.
Raphaela Bardutzkys Stück «Fischer Fritz», das als erstes von drei druckfrischen, zur Uraufführung ausgewählten Stücken die traditionelle «Lange Nacht» der diesjährigen Autor:innentheatertage am Deutschen Theater Berlin eröffnete, bringt den Tongue-twister mit der F-Alliteration sogar in überdurchschnittlich hoher Frequenz zu Gehör.
Überhaupt ist gern von linguistischen Spezialitäten die Rede in «Fischer Fritz»; auch Reibe- und Bilabiallaute werden umfänglicher erörtert. Die Sprache soll, mit anderen Worten, selbst zum Thema werden – und, folgt man der Autorin, sogar zur Protagonistin. So jedenfalls kann man das Framing verstehen, das Bardutzky vornimmt, wenn sie ihren Text im Untertitel als «Sprechtheater» labelt und damit vermutlich auf ein ähnliches Phänomen zielt wie das, was der Dramatiker Ferdinand Schmalz in seiner Festival-Eröffnungsrede als «Dichterkammerflimmern» bezeichnet hat. Er nennt selbiges ein großes ...
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Theater heute August/September 2022
Rubrik: Autor:innentheatertage, Seite 23
von Christine Wahl
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