Sarah Kilter: White Passing
Figuren
(Mehrfachbesetzung)
Deutschland in Spiegelstrichen
Sie
A (Lehrerin)
B (Arzt)
Max
Thomas
Jule
SARAH KILTER, geboren 1994 in Berlin, studierte Szenisches Schreiben an der Universität der Künste Berlin. Erste Theatertexte wurden in Werkstattaufführungen u.a. am Hans-Otto-Theater Potsdam und in der Box des Deutschen Theaters Berlin gezeigt. 2019 wurde ihr Hörspiel «Mädchen-Liegestütze» im Deutschlandfunk Kultur urgesendet; «White Passing», nominiert für die Berliner Autor:innentheatertage, ist in seiner Leipziger Uraufführung bei den Mülheimer Theatertagen zu sehen
1 Deutschland in Spiegelstrichen
– Hier kann man die Polizei rufen, wenn die Prostituierte dir nur lustlos einen Handjob gegeben hat, obwohl du im Voraus über PayPal für einmal Blasen gezahlt hast. Man bekommt dann ein Aktenzeichen und kann sicher sein, dass Deutschland sich darum kümmert, dass du dein Geld erstattet bekommst.
– In Deutschland glaubt man, dass der, der laut spricht, nicht mehr Herr seiner Sinne ist. In Deutschland ist man ein intelligenter Mensch, immer dann, wenn man ganz langsam und leise spricht.
In Deutschland hat der Schuld, der sich entschuldigt.
– In Deutschland wird aber der, der flüstert, nicht gehört, außer er macht ASMR Videos.
– In Deutschland darf ein heterosexueller Mann einen anderen Mann nur küssen, wenn er vorher no homo sagt, selbst, wenn es sein Bruder ist.
– In Deutschland wird man Drogenbeauftragte, wenn man weiß, dass Spliff eine Musikgruppe aus den 80ern ist.
– Wenn man sich in Deutschland links oder Antikapitalist nennt, dann darf man keine Tasche tragen, die teurer ist als 500 Euro. Ein Tattoo, was teurer war als 500 Euro, darf man tragen, aber keine Tasche. Als Antikapitalist darf man in Deutschland monatlich auch keine 50 Euro für eine ...
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Theater heute Mai 2022
Rubrik: Das Stück, Seite 100
von Sarah Kilter
Der Pfauen, der traditionelle Theaterraum des Schauspielhaus Zürich, liegt am Heimplatz. Aber der gehört dem Verkehr, nicht den Passanten – korrekter wäre Heimkreuzung. Nach der Vorstellung steht man eng auf dem Trottoir an der Straße, wie der Bürgersteig auch in der Schweiz heißt. Und nach vier Stunden hat man schon einmal Bedarf zum Rumstehen, so lange ging die...
Mit dem Arbeiten ist es ungefähr so. Man tut dies oder jenes, in der Hoffnung, etwas würde danach besser sein als zuvor. Man nimmt ungeordnete Gedanken, schreibt sie auf und hofft, der Sinn möge sich einstellen; nimmt rohe Dinge und hofft, gekocht mögen sie schmecken, trägt Zeug von A nach B und hofft, dort möge es richtig sein. Denn dann wäre alles prima. Fast....
Dann also doch. Am 34. Tag des Kriegs gegen die Ukraine hat Anna Netreb -ko von ihrem Hamburger Medienanwalt ein Statement veröffentlichen lassen, in dem sie immerhin den Krieg in der Ukraine als solchen benannt und verurteilt hat. Sie strebe mit ihrer Kunst «nur Frieden und Einigkeit an» und sei auch nicht mit «irgendeinem Führer Russlands verbunden». Nun ist...