Mehrzweckraum des Grauens
Die Kunst des intelligenten Trollens besteht darin, das Gegenüber so zu reizen, dass es sich selbst diskreditiert. Im Netz klappt das prächtig, manchmal unfreiwillig. Beispiel Twitter: Man kann dort einen Hamburger Innensenator als «Pimmel» bezeichnen, was zunächst nicht so intelligent klingt. Heißt dieser Andy Grote und reagiert die ihm unterstellte Polizei auf die fast niedliche Beleidigung mit einer Hausdurchsuchung, ist klar, wer verloren hat.
Ein Troll, nur analog, ist auch Knut Hamsuns Romanfigur Johan Nagel. Er irritiert und provoziert.
Er ist neugierig, distanzlos, irrlichternd. Und er bringt im Roman «Mysterien», den Johan Simons zum Saisonauftakt in Bochum für die Bühne adaptiert, eine ganze Kleinstadt aus dem kommunalen Gleichgewicht des Denk- und Sagbaren.
Da piesackt zum Beispiel, wie hier üblich, der angesehene «Bevollmächtigte» des Hafenstädtchens (William Cooper) einen Mann mit leichter Behinderung namens Minute (Guy Clemens). Steven Scharf, der den eben Zugezogenen Nagel spielt, sitzt abseits in einem Campingstuhl. Plötzlich wendet er sich dem gequälten Minute zu und sagt laut, aber freundlich: «Wenn Sie Ihr Glas nehmen und es diesem Bengel auf den Kopf hauen, ...
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Theater heute November 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 20
von Cornelia Fiedler
Der Hundertjährige, der auf die Bühne steigt und erzählt, das ist natürlich nicht Friedrich Dürrenmatt himself, das ist der Schauspieler Andrea Bettini. Aber er passt da ganz gut hin. Hinter sich der geschlossene Vorhang, vor sich das Basler Premierenpublikum, saugt der Dürrenmatt-Darsteller an seiner Zigarre und an einer Studenten-Anekdote, die der Dramatiker...
Weder Seelenfrieden-Tee noch Putztherapie: Diesem Mann (Philippe Goos) ist nicht zu helfen. Er ist ein hektischer Hysteriker, ein dauernervöser Hypochonder, eine Drama-Queen, ein Herzinfarkt-Kandidat, eine Heulsuse. Er ist «Der eingebildete Kranke» aus Martin Heckmanns Molière-Überschreibung. Anne Lenk inszeniert das Stück – wie auch ihre zum Theatertreffen 2021...
Am Ende des dreitägigen Bundesforums waren die Impulse vom Anfang fast vergessen. Die Rede der Dramatikerin Sivan Ben Yishai (abgedruckt auf den vorigen Seiten) beispielsweise, die ihre Überlegungen zum «Skript» mit dem zu diesem Zeitpunkt noch erwartungsvollen, aufnahmefähigen Publikum teilte. Sie mahnte, dass die bevorstehende Konferenz – ebenso wie all die...