Wo bleibt das genervte Stöhnen

Ich gestehe: Ich habe auch gekocht beim Streaming-Gucken. Zumindest bei meinen eigenen Inszenierungen, wenn ich an den Abenden nicht im Theater war, sondern zu Hause. Dann haben meine Frau und ich den Laptop schon mal in der Küche aufgestellt. Seien wir ehrlich: Eine gestreamte Vorstellung verführt dazu, dass man zwar «reinschaut», aber nicht richtig hinschaut. Nicht wie im Theatersaal.

Am Schauspielhaus Bochum haben wir etliche Inszenierungen als Geistervorstellungen vor leerem Saal gespielt und live gestreamt.

Wir haben im Dezember begonnen, erst einmal bei freiem Eintritt, zum Beispiel «King Lear», wofür sich 1600 Menschen angemeldet hatten, und später dann mit einem gestaffelten Preissystem, wo unser Publikum auch seine aufgestauten Abo-Gutscheine einlösen konnte. Es ging darum, den Kontakt zum Publikum nicht abreißen zu lassen. Es ging darum, etwas zurückzugeben. Es ging darum zu zeigen, was wir mit unserer Kunst erzählen wollen. Es ging auch darum, den «Betrieb Theater» lebendig zu halten. 

Es hat auch Spaß gemacht. Sich zu überlegen, wie eine kamerataugliche Adaption einer Inszenierung sein müsste. Wir alle kennen die hochprofessionellen Fernsehaufzeichnungen von ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2021
Rubrik: Streaming, Seite 96
von Johan Simons

Weitere Beiträge
Im Globalen Globe

Neulich lag ich im Bett mit zwei Chilenen, einer Brasilianerin, einer älteren Indonesierin, einem Pärchen aus Los Angeles und ein paar Russen. Wir hörten Madhusree zu, wie sie ein altes bengalisches Lied sang. Bei ihr in Kalkutta war es spät in der Nacht, und selbst bei Sunny, die mittlerweile in Talinn lebt, war durch das Fenster draußen schon die esthnische...

Im Bauch des Wals

Wie schreiben über Vorgänge, deren zeitliche Dimension nicht abzusehen ist? An dieser Frage reiben sich alle Theatertexte über das Anthropozän, wie immer sie auch strukturiert sein mögen. Das alte Brecht-Problem, dass die komplexen Transaktionen des Finanzkapitalismus nicht mit einer dramatischen Struktur abzubilden sind, erscheint hier ungleich vervielfältigt...

Die Sehnsucht im Mauszeiger

Eine Schnapsidee war es nicht. Aber Weißweinschorle war im Spiel am Abend der Initialzündung, räumt Cosmea Spelleken ein. «Im ersten Lockdown saß ich mal mit einer befreundeten Schauspielerin zusammen, und wir waren uns einig: Wenn wir noch einmal online zusehen, wie Schauspieler vor ihrer Laptop-Kamera Märchen vorlesen, dann schreien wir.» Ja, klar, die Bühnen...