Anarchie und Selbstdistanz
«Ich bin’s», hört man Anita Vulesicas Stimme zunächst aus dem Dunkel, «die mit den zwei Stimmlagen.» Klingt gut – stimmt aber nicht. Tatsächlich sind es mindestens zweihundert Facetten, in denen die Schauspielerin hier mit ureigenem Witz ihre Lebensbetrachtungen in die Karrierestationen des Popstars Madonna hinein verschachtelt. Der Soloabend «Mother», den Vulesica selbst geschrieben, inszeniert und in der Box des Deutschen Theaters Berlin herausgebracht hat, ist Rockkonzert, Tragödie und Stand-up-Comedy auf einmal – und erzählt sehr viel über seine Schöpferin.
Immer wieder geht es um das Bedürfnis, «gesehen» zu werden – was nicht nur Vulesicas Lebensthema, sondern bekanntlich auch eine nicht ganz ungefährliche Angelegenheit im Schauspielbusiness überhaupt ist. Denn die existenzielle Hoffnung, dass der Regisseur – und das Publikum – einen im Wesenskern erkennen, ähnele dem kindlichen Bedürfnis, von den Eltern gesehen zu werden, erklärt Vulesica: «Das verwechseln viele, deswegen ist es auch so schmerzhaft. Vor allem, wenn man nicht gesehen wird.» Zu den bemerkenswertesten Fällen regieseitiger Fehlsichtigkeit in Anita Vulesicas Schauspielerinnen-Biografie gehört zum Beispiel der ...
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Theater heute Dezember 2019
Rubrik: Akteure, Seite 31
von Christine Wahl
Gina Haller räumt mit allen Klischees auf, die man sich unter «Ophelia» vorstellen kann: das Porträt
Nicoleta Esinencu hat schon früh beschlossen, keine Auslandskarriere anzustreben, sondern in der Republik Moldau zu arbeiten. Ein Gespräch und der Stückabdruck ihrer neuesten Produktion «Die Abschaffung der Familie»
Wenn man im Theater vom «Mensch» spricht, sollte...
Wie schnell man einen Ausnahmezustand für die Normalität halten kann, zeigt sich, wenn man das Ungewöhnliche der Ausnahme unter die Nase gerieben bekommt. Zum Beispiel im Genre des zeitgenössischen Zirkus. Dort lassen Artisten auch die absonderlichsten Leistungen meistens ganz leicht aussehen – ob sie sich nun zu Drei-Mann-Türmen übereinander stapeln oder einander...
Nein, keine besonderen Neuigkeiten. Wer sich durch das eindrucksvollste Zahlenwerk zum deutschen Theater, die gerade erschienene Theaterstatistik des Deutschen Bühnenvereins 2017/2018 blättert, sieht auf den ersten Blick business as usual. Keine Abstürze, keine steilen Zuwächse. Der Motor brummt.
Auf den zweiten Blick brummt der Motor immer noch, allerdings...
