Seltsame Pracht
Man liest und hört manchmal Dinge, die einem sofort sehr einleuchten, flüchtige Spontan-Wahrheiten, an die man sich für immer erinnern möchte – und die man in der nächsten Minute aber schon spurlos vergessen hat. Dann vergehen Jahre, und plötzlich, im passendsten oder unpassendsten Moment, erinnert man sich an den flüchtigen Rest eines vor Jahren geführten Gesprächs oder an einen Satz auf einem Zettel an der Wand des Kunstmuseums von Philadephia. Danke, Gedächtnis, denkt man dann, es ist schön, wenn wir zusammenarbeiten.
Jetzt gerade zum Beispiel, wenn die Fragestellung sich um den Stand der Künstler*in in der Gegenwart drehen soll, fällt mir – passender- oder unpassenderweise – ein, wie die damals siebenjährige Nichte des Töpfers Grayson Perry auf die Frage, was denn überhaupt eine Künstler*in sei und was er/sie tue, geantwortet hat: Eine Künstler*in sei jemand, der Sachen bemerke. «What do Artists do? They notice stuff». Kann man einen so seltsamen Beruf noch einfacher und klarer beschreiben? In meinen Augen nicht.
A propos Augen: Von dem amerikanischen Maler Mark Tansey, um den es hier kurz gehen soll, gibt es ein Gemälde, das heißt «The innocent eye test». Eine Gruppe edel und ...
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Mit den Worten «hallo? / hört uns jemand?» eröffnet der österreichische Dramatiker Ewald Palmetshofer sein neues Theaterstück, eine hochmusikalische, rhythmisch stark geformte Sprachpartitur. Die Frage, die sich als ein Angebot an das Publikum verstehen lässt, in einen Dialog zu treten, ist eine rhetorische, denn die Verlorenen werden kein Gehör finden. Bereits im...
Und stockt kurz sie, die Wutentbrannte, stockt, um ihrem Gegenüber die schlimmste Beschimpfung an den Kopf zu werfen, die ihr einfallen konnte: «Du Künstler!», krächzt die aufgebrachte Passantin Christoph Schlingensief bei der Aktion «Ausländer raus!» entgegen. Mittlerweile ist es fast 20 Jahre her, dass Schlingensief mit seinen Containern vor der Wiener Staatsoper...
Als ich für mein Studium von Salzburg Land nach Hamburg zog, hatte mein Kulturschock Ausmaße einer schwindelerregenden Identitätskrise, die mich in eine depressive Dauerverwirrung stürzte. Den einen kulturellen Unterschied, den das 18-jährige Bauernmädchen, das ich war, aber sehr klar sehen und sofort freudig wertschätzen konnte, war die Qualität der...