Thomas Köck; Foto: picture alliance/dpa

Ein Erbe steht an

Thomas Köck: «Die Zukunft reicht uns nicht (klagt, Kinder, klagt!)»

Eine Nacht in ferner Zukunft: ein schlafloses Kind vor einem Bildschirm. Auf dem Screen eine Reportage über vergangene Zeiten. Archäologen haben eine spektakuläre Entdeckung gemacht: Tief vergraben im Wüstensand stießen sie auf ein seltsames Bündel von Blättern, Dokumente einer längst untergegangenen Kultur. Aber die Wissenschaftler können dieses prähistorische Buch nicht lesen, es ist in einer Sprache verfasst, die in keiner Weise mit irgendeiner bisher bekannten verwandt ist. Eine vollkommen fremde Grammatik.

Bisher hatten doch alle Sprachen ein klar definiertes Tempus. Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft: Simultanität war ausgeschlossen. Ein Satz hatte eine Richtung, zielte auf eine Aussage, doch nicht so in dieser Sprache.

Wie ließe sich ein Text, der so viel Aufschluss über eine fremde Kultur geben könnte, bloß übersetzen? Schließlich finden die Forscher eine Frau, die vielleicht als letzte noch Lebende das Buch lesen könnte. Kettenrauchend beginnt die alte Dame, von der Vergangenheit zu berichten, schmunzelnd erzählt sie von einer anderen Welt. Von einer Kultur, die keine Differenz zwischen Zukunft und Gegenwart oder Vergangenheit kennt. Ein Kosmos der Gleichzeitigkeit, ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute Jahrbuch 2017
Rubrik: Neue Stücke der neuen Spielzeit, Seite 168
von Tobias Schuster

Weitere Beiträge
Die Schuld der Erinnerung

Während des stalinistischen «Großen Terrors» wurden in der Sowjetunion von 1936 bis ’38 rund 1,5 Millionen Menschen verhaftet – ein Prozent der Bürger. Davon wurden 750.000 erschossen, mit oder ohne Schauprozess, bis zu 200.000 weitere starben in der Lagerhaft. Diese groben, entsetzlichen Fakten sind bekannt. Über die Details gibt es zwar Bibliotheken voller Bücher...

Lust auf Abgrund

Zwei schwarz angemalte Toilettenpapierrollen und eine Depafit-Leichtstoffplatte: Dies war die Grundidee zum aufwändigsten Bühnenbild, das je am Residenztheater gebaut worden ist. Es besteht aus einem gewaltigen, vier Tonnen schweren Laufband und einem zweiten, etwa 3,5 Tonnen schweren Laufband auf drei Hubpodien, die vier Meter nach unten reichen. Darauf...

Erfolg im feindlichen System

Es reden: ein Kabinettsleiter, eine Forscherin, ein Soldat, alle noch relativ jung. Die Menschen, mit denen die drei Figuren aus Alexandra Badeas neuem Stück «Extremophil» in Dialog treten, sind sie selber: Sie sagen Du zu sich. Vielleicht, weil von sich zu sprechen voraussetzen würde, dass sie eins wären mit sich (was sie definitiv nicht sind). Vielleicht, weil...