Maria Milisavljevic: Beben
Die Personen
Wir. Wer immer und wie viele wir auch sind.
Raging furious, the flames of desire
Ran through heaven and earth, living flames,
Intelligent, organized, armed
With destruction and plagues. In the midst
The Eternal Prophet, bound in a chain,
Compelled to watch Urizen’s shadow.
William Blake, The Book of Los
Ich schlafe nicht mehr. Ich schlafe seit Tagen nicht mehr.
Ich atme nicht mehr. Nur wenn sie schauen.
Nur wenn sie schauen, um zu sehen, dass die Luft dampft.
Die Luft vor meinem Mund. Er atmet. Sagen
sie dann. Wenigstens das. Und dass sie nicht verstehen, wie einer so werden kann.
Atme. Atme. Er atmet. Sagen sie und sind zufrieden.
Ich atme. Auch wenn ich gar nicht will. Denn sie lassen sie mir nicht. Die Stille. Alles. Ich. Es hat nichts mit ihnen zu tun. Aber sie haben es sich zu Eigen gemacht, haben es mir genommen und
die Tür verschlossen. Und hin und wieder durch dieses Fenster dort geschaut, um zu sehen, ob
ich noch atme.
Dabei will ich lauschen. In die Stille hinein. Um etwas zu finden, in dieser Stille. Vielleicht eine Antwort. Darauf, wie es soweit kommen konnte.
Ich hatte einen furchtbaren Traum. Ich träumte,
mein Sohn läge tot in meinen Armen.
Was willst du hier?
...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Theater heute August/September 2017
Rubrik: Stückabdruck, Seite 99
von Maria Milisavljevic
Als polnischer Minister für Kultur und nationales Erbe hat man es wirklich nicht leicht. Seit Jahrhunderten bedrohen feindliche Mächte die nationale Einheit des Landes. Gleichzeitig ist der Olymp der legendären Widerstandskämpfer und Nationalhelden personell längst überlaufen, weshalb sich die zeitgenössischen nationalkonservativen Regierungsvertreter mit einer...
Hauke behängt den bunten Plastiktisch mit schwarzem Tuch. Er stellt rot glimmende Grablichter auf, ein Kruzifix in die Ecke und eine Flasche Korn auf den Tisch. Heute ist ein Trauertag, denn vor zwei Jahren ist Ännie verschwunden. Und dieser will mit Würde begangen werden. Oder? Wir befinden uns in einer verramschten Kneipe in einer namenlosen Stadt, dort, wo die...
Ganz zum Schluss erwischt er einen dann doch noch, der Moment emotionaler Überwältigung. Ein Distanzverlust, der die Kontrolle der körperlichen Reaktionen vorübergehend dem vegetativen Nervensystem überlässt – Gänsehaut. Denn auf der Bühne ereignet sich ein Temperatursturz: Der gerade noch ausgesprochen lebendige Chor steht jetzt still in fahlem Licht, die Menschen...