Foto: Armin Smailovic
Planetarische Tauchgänge
In ihrer Zwickauer Nachbarschaft hieß Beate Zschäpe, die damals den Tarnnamen Susanne Dienelt trug, «die Diddlmaus». Ein treffender Spitzname, terrorisierte doch die gleichnamige Cartoonfigur in ihrer schrill-dumpfen Niedlichkeit in den 90er Jahren von zahllosen Gebrauchsgegenständen aus das Geschmacksempfinden. Extrem diddlmaushaft agiert auch die schon häufiger als Zschäpe-Double eingesetzte Schauspielerin Tina Keserovic, die in Ersan Mondtags erster Inszenierung an den Münchner Kammerspielen um sechs außerirdische Theater-Investigatoren hüpft.
Nackt bis auf den vorgeschnallten Schwangerschaftsbauch und -busen mischt sie sich in deren Recherche, schüttelt die dunkle Lockenmähne, tastet wie ein schutzbedürftiges Kind nach Elternhänden und verkörpert in aller nervigen Unschuld das Gegenteil dessen, wofür Beate Zschäpe im NSU-Prozess nun schon seit Jahren steht.
Sittenbild der Gesellschaft
Die Diddlmaus ist praktisch die einzige Figur in Ersan Mondtags «Das Erbe», die eine direkte Brücke zum NSU-Prozess schlägt. Auch die Textcollage, die die 27-jährige Olga Bach (Bach und Montag kennen sich von der GRIPS-Jugendtheatertruppe) zum Inszenierungsauftrag entwickelt hat, nutzt ...
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Theater heute August/September 2017
Rubrik: Aufführungen/Neue Stücke, Seite 24
von Eva Behrendt
Vor nicht allzu langer Zeit missverstand ein Theatermacher Hamburg fatal als maritim geprägte Stadt. Friedrich Schirmer eröffnete seine Intendanz 2005 am Hamburger Schauspielhaus, indem er der Stadt eine eigenartige Hafenpoesie überstülpte: Er verpasste seinem Theater einen lächerlichen Delfin als Logo, ließ Igor Bauersima Homers «Odyssee» zu einem grauenhaften...
Bei Signa denkt man eigentlich nicht an Schiller. Also nicht an das Lichte und Bildsame, an die Ermutigung, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, die sich auch im diesjährigen Motto der Mannheimer Schillertage widerspiegelte («Nach der Freiheit / ist vor der Freiheit»). Signa halten es eher mit den Hinterzimmern der Vernunft. In ihren hypertrophen...
Man muss sich die Bilder nochmal vor Augen halten: Jahrelang stand an Montagen «das Volk» zu Tausenden auf diesem Platz zwischen Semperoper, Zwinger und Elbe und skandierte rechte Parolen, putschte sich selber in seinem Fremdenhass auf, schürte Angst, schwenkte Fahnen und schmähte alles, was seiner Ansicht nach nicht (richtig) deutsch ist. Pegida und dann die AfD...