Graz: Schießen Sie auf den Kolonialisten
«Dantons Tod» in einem Satz? «Die Revolution ist die Maske des Todes.» Der Satz findet sich, leitmotivisch wiederholt, in Heiner Müllers Stück «Der Auftrag» (1979), einem gallig-dialektischen Nachspiel zu Büchners melancholischem Revolutionsdrama. Drei Emissäre des französischen Konvents landen Anfang des 19. Jahrhunderts auf Jamaika. Ihr Auftrag ist es, einen Sklavenaufstand zu entfachen; die Revolution soll auf die (Dritte) Welt ausgeweitet werden.
Aber noch bevor sie ihn umsetzen können, ist der Auftrag hinfällig: Daheim in Frankreich hat Napoleon sich inzwischen zum Kaiser krönen lassen. Einer der Emissäre, Sasportas, wird hingerichtet, Galloudec stirbt am Wundfieber, während Debuisson zum Verräter an den Idealen der Revolution wird und als Ausbeuter weiterlebt.
Das bittere Ende wird im Stück gleich vorweggenommen, weshalb Jan-Christoph Gockels Grazer Inszenierung auch mit dem Insert «The End» beginnt. Gespielt wird dazu allerdings erst einmal das Ende eines anderen Stücks: Auf der Vorbühne wird eine Danton-Marionette, begleitet von «Wir sind das Volk!»-Rufen aus einem Kassettenrecorder, auf ein kleines Schafott gelegt und enthauptet. Gockel kombiniert Müllers Text mit dem ...
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Theater heute Juni 2017
Rubrik: Chronik, Seite 56
von Wolfgang Kralicek
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