Geister der Vergangenheit
Kleines viktorianisches Häuschen auf der Anhöhe, steile Anfahrt, rechts eine weiß gestrichene Bretterbude. Die Adresse kommt einem doch irgendwie bekannt vor.
Ist das etwa «Psycho»? Der Hitchcock-Klassiker mit dem mörderischen Norman Bates, dem seine enge Mutterbindung eine heftige schizoide Störung eingetragen hat? Gleich darauf versammelt sich eine fackelschwingende Kuttenhorde vor dem Brettermotel und erzählt die Vorgeschichte von «König Ödipus» als schwarze Messe: Laios Entführung des Pelops-Sohns und der Fluch, der auf ihm liegt, und eine Generation später zu Inzest, Selbstmord und Tragödie führt. Amerikanische Rassisten entern die griechische Tragödie?
Er habe noch nie eine interessante Inszenierung eines antiken Textes gesehen, meinte Ersan Mondtag in der «Berliner Zeitung» gewohnt unbescheiden vor der Premiere. Seine «Antigone und Ödipus» startet steil mit einem kleinen Referenzgewitter von Mord, Mutterfixierung, Ku-Klux-Klan. Davor hatte noch ein selbstgedichteter Dialog zwischen Yousef Sweid und Orit Nahmias neben der schauspielerrelevanten Frage, wer Eteokles und Polyneikes spielen darf, gleich noch ein paar zeitnahe Großkonfliktherde aufgerufen zwischen Nahost, ...
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Theater heute April 2017
Rubrik: Aufführungen, Seite 11
von Franz Wille
Was beschäftigt Frankreichs Theater gut einen Monat vor den Präsidentschaftswahlen? Jedenfalls nicht das Kampagnengeschäft der «Présidentielles». Vielleicht sind sie einfach noch zu weit weg, vielleicht liegen die jüngsten heftigen Krawalle und Polizeiübergriffe in der Pariser Banlieue einfach noch zu nahe. Zu den Präsidentschaftskandidaten ist kaum ein Wort zu...
War-te, war-te, nur ein Weil-chen», abgehackt und kindlich streng schallt die Mädchenstimme durchs Dunkel. Ein unschuldiger kleiner Abzählreim, ginge es darin nicht um einen realen Kindermörder. Es sind die ersten Sekunden von Fritz Langs epochemachendem Krimithriller «M». Die Achtjährige, die hier, umringt von anderen Kindern, mit ausgestrecktem Arm Schicksal...
Geister gibt es in allen Kulturen, Stimmen aus dem Totenreich, Kobolde, Dämonen, bösartige oder verführerische Agenten des Jenseits. Meist haben sie spezielle Anliegen, wollen sich rächen oder entschuldigen, erkannt und erlöst werden, sind mitunter nur für Auserwählte sichtbar – und dabei auch stets so etwas wie ein Spiegel der Lebenden, die von ihnen heimgesucht...