Alle schuldig
Die Zehn Gebote sind ein dankbarer Theaterstoff. Weil sich aus den allgemeingültigen «Du sollst»/ «Du sollst nicht»-Anweisungen Handlungen konstruieren lassen, und diese Handlungen ergeben eine abendfüllende Szenenfolge, zu der ein durchschnittlich bibelfestes Publikum problemlos Positionen einnehmen kann.
Besonders beliebt ist Krzysztof Kieslowskis (ursprünglich als Fernsehserie entwickelte) Szenenfolge «Dekalog», die die Gebote an zehn Situationen im spätsozialistischen, gottfernen Polen durchdekliniert – zuletzt setzte Crescentia Dünßer den Stoff weitgehend einleuchtend in Lübeck um (TH 02/16).
Rund 80 Kilometer nördlich geht man den komplizierteren Weg: Das Kieler Schauspiel gab gleich eine neue Dramatisierung des Gesetzestextes in Auftrag. Und dann auch noch in doppelter Ausführung, einmal vom ortsansässigen Autorenteam Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, einmal vom israelischen Dramatiker Shlomo Moskovitz. Beide Stücke beschränken sich nicht auf eine reine Szenenfolge, sondern erzählen durchdramatisierte Geschichten, beide sind in einem Kriegssetting angelegt, in beiden wird eine Stadt belagert: Leningrad im Zweiten Weltkrieg bei Zaimoglu/Senkel, Beirut im Libanonkrieg bei ...
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Theater heute Juli 2016
Rubrik: Chronik, Seite 54
von Peter Michalzik
Dies ist die Geschichte von einer Gesellschaft, die fällt. Und während sie fällt, sagt sie, um sich zu beruhigen, immer wieder: ‹Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut. Bis hierher lief’s noch ganz gut.› Aber wichtig ist nicht der Fall, sondern die Landung.» So lautet der Off-Text am Ende des französischen Kultfilms «Hass» («La Haine»)...
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