Alles in drei Prozent?

Armin Petras dramatisiert sich im Berliner Maxim Gorki Theater durch Jonathan Littells Holocaust-Roman «Die Wohlgesinnten»

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Man betritt den Theatersaal und ist verstimmt: Da hängt ein riesiger Spiegel und soll uns allen Ernstes «den Spiegel vorhalten»? Geht’s noch? Dieser Eindruck relativiert sich, wenn der riesige, das Publikum spiegelnde Spiegel plötzlich geneigt wird: Der obere Teil droht auf das Publikum zu fallen, wodurch unten auf der Bühne freier, aber enger Raum entsteht, indem die Akteure doppelt sichtbar werden und anstrengende und dramatische Dinge tun können wie durch blutverschmierten Schlamm kriechen.

Der kippende, zu fallen drohende Spiegel wäre nun nicht mehr der reflexive, in dem das Bürgertum sich selbst erkennen und ob seiner Lebenslügen zerknirscht werden soll. Es wäre vielmehr der Spiegel der Narzissten, der nicht der Erkenntnis, sondern der Selbstliebe dient: Dieser würde nun herunterknallen auf dieselben, und ohne Erkenntnis würden sie zermatscht.

    Zwei Ideen

Hätte man das vertieft, hätte man was draus machen können. Denn die zentrale Idee in Jonathan Littells «Die Wohlgesinnten» ist nicht einfach, die grauenhaftesten Momente der Menschheitsgeschichte einmal und zur Abwechslung aus Täterperspektive zu erzählen, auch nicht den Skandal zu setzen, dass dieser Täter punktuell und ...

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Theater heute November 2011
Rubrik: Berlin, Seite 14
von Diedrich Diedrichsen

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