Theater heute Juni 2009
Foyer
Man klatscht!
Der südamerikanische Theaterrevolutionär Augusto Boal, der am 2. Mai in Rio de Janeiro gestorben ist, konnte sich schon vor 28 Jahren über das europäische Publikum nur wundern
Was heisst hier Kunst
Die Kunst der Unwahrscheinlichkeit oder das Nichtkönnen können
Carl Hegemann hat nicht nur über Hegel promoviert, sondern ist einer der praxiserfahrensten Kenner des deutschsprachigen Theaterkunstbetriebs. Er war Dramaturg in Freiburg, Bochum und von 1992 bis 2006 an der Berliner Volksbühne (mit einer kurzen Unterbrechung am Berliner Ensemble), hat viele Produktionen mit u.a. Frank Castorf, Christoph Schlingensief, René Pollesch, Einar Schleef und Jürgen Kruse begleitet und wirkt derzeit als Professor für Dramaturgie an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn-Bartholdy in Leipzig.
Positionen
Verstehen Sie sich als Künstler? Eine Frage und 17 Antworten von Nicolas Stemann, Stefan Kaegi, Matthias Hartmann, Thomas Ostermeier, Joachim Meyerhoff, Judith Rosmair, Muriel Gerstner, Sebastian Hartmann, Sibylle Berg, Dea Loher, Stephan Kimmig, Jan Bosse, Friederike Heller, Katrin Brack, Martin Kusej, Elfriede Jelinek und Volker Lösch
Aufführungen
Das große Wir
Theater und Kapital: Rimini Protokoll schleicht sich in die Hauptversammlung der Daimler AG, und Elfriede Jelineks «Kontrakte des Kaufmanns» gehen Nicolas Stemann auf den Seitenzähler. Uraufführungen und One-Day-Stands in Berlin und Köln
Love is a losing game
In Köln soll die Kunst ins Leben greifen und bleibt dabei trotz gegenteiliger Ankündigung jugendfrei: Signa führt spielend zur «Hades-Fraktur», Alvis Hermanis erklärt «Die Geheimnisse der Kabbala»
Turbulenzen mit Aufwind
2011 wird Amélie Niermeyer auf eigenen Wunsch das Düsseldorfer Schauspielhaus verlassen: eine Zwischenbilanz, in der Andreas Kriegenburg mit Schiller auftritt, «Die Beteiligten» von Kathrin Röggla und die Intendantin selbst mit Amos Oz’ «Black Box»
Akteure
Der Anti-Divo
Porträt eines Mannes, der sich in drei Jahrzehnten Theaterarbeit einen soliden Ruf als exzellenter Schauspieler und Regisseur erarbeitet hat und nach einigen hochprämierten Filmen – vor allem «Gomorrha» und «Il Divo» – mit 50 plötzlich zum internationalen Star geworden ist: Toni Servillo
Ein Schwarm Vögel
Roland Schimmelpfennig preist Jürgen Gosch und Johannes Schütz zur Verleihung des Theaterpreises Berlin der Stiftung Preußische Seehandlung am 3. Mai 2009
Debatte: Marx oder Murx?
Gutes Gift
Richard Herzingers Essay im März-Heft von «Theater heute» gegen die Heilsversprechungen einer neuerlichen Marx-Lektüre in Zeiten der Finanzkrise stößt auf Widerspruch. In die Debatte mischen sich ein: die Dramaturgin Stefanie Carp und die Stückeschreiberin Kathrin Röggla.
Die sogenannte Systemfrage
Über Alternativen zum Kapitalismus nachzudenken, muss erlaubt sein
Das Stück
Nette Nachbarn
Praktische Lösung: Ewald Palmetshofers «faust hat hunger und verschluckt sich an einer grete» (der vollständige Stückabdruck liegt diesem Heft bei) in Felicitas Bruckers Uraufführung im Wiener Schauspielhaus
Chronik
Alternative Lyrik
Václav Havel «Abgang»
An der Quelle
Roland Schimmelpfennig «Idomeneus»
Witz des Schicksals
Dennis Kelly «Nach dem Ende», Viebrock/Ubenauf «Die Bügelfalte des Himmels hält für immer»
Schnapsdrossel und Turteltauben
Herbert Achternbusch «Susn», Fallada «Kleiner Mann – was nun?»
Künstlerkosmos en miniature
Armin Petras nach Cassavetes «Opening Night»
Feucht-fröhliche Träume
Henry Miller «Sexus»
Sehnsucht in DIN A5
nach Tolstoi «Anna Karenina»
Daten
Magazin/Nachruf
Gegen die Polizei im Kopf
Zum Tod des brasilianischen Theatermachers der Unterdrückten, Augusto Boal (16. März 1931–2. Mai 2009)
Magazin/Nordlage
Das finnische Pfund
«Terve! Rostock» – Festival neuer finnischer Dramatik in Rostock
Magazin/Junge Regie
Äpfel, Birnen und ein Preis
Texttheater und Performatives in friedlicher Ko-Konkurrenz beim 6. Körber Studio Junge Regie
Magazin/Nachruf
Magazin
Müllers Kind als Kult
Globale Drehorte, Besetzung mit debütierender Dichtertochter und französischem Weltstar sowie crossmediale Präsentation zwischen Tanz, Film, Schauspiel und Installation: Ein Hang zum totalen Welterklärungssystem wie zur totalen Ästhetik springt dem Betrachter aus Brigitte Maria Mayers Variation von Heiner Müllers Shakespearekommentar aus dem Jahr 1984 als erstes entgegen: «Anatomie Titus Fall of Rome», wo Müller anhand von Shakespeares Drama über die rachsüchtige Gotenkönigin Tamora, die der Feldherr Titus Andronicus als Kriegsbeute nach Rom verschleppt, den Einbruch der Dritten Welt in die Erste demonstrieren wollte.