Wir Viktorianer
Zwei Jahrhunderte, eine historisch verbürgte Wissenschaftlerin, ein Puppenspiel, eine Alpensage und eine düstere Vision der nahen Zukunft prallen in Martina Clavadetschers neuem Stück «Frau Ada denkt Unerhörtes» aufeinander. Die Schweizer Autorin koppelt die Lebensgeschichte der ersten Programmiererin, Ada Lovelace, mit einer in der Zukunft spielenden Parabel über künstliche Intelligenz. Ein fantasievoller, surreal aufgeladener Text, der den Umgang von Mensch mit Maschine mit teils komischer, teils unheimlicher Wirkung kritisch ins Zentrum stellt.
Anlass zu ihrem neuen Stück, so Martina Clavadetscher, war die Beschäftigung mit mythischen Schöpfungsgeschichten. Immer wieder erschaffen meist «Herren der Schöpfung» aus unbelebter Materie ein weibliches Wesen und erwecken es zum Leben: Gott schafft Eva aus der Rippe Adams, Pygmalion eine Elfenbeinstatue, die wie eine lebendige Frau aussieht, der Physiker Spalanzani baut in E.T.A Hoffmanns Erzählung «Der Sandmann» Olympia, die makellose Schöpfung einer lebensecht wirkenden, bezaubernd aussehenden mechanischen Puppe. In einigen der erfolgreichsten Kinogeschichten der letzten Jahre verlieben sich, etwa bei Spike Jonze, Männer in ihre ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Seitdem Shakespeare in seinem «Wintermärchen» Böhmen kurzerhand am Meer angesiedelt hatte («Bohemia. A desert country near the sea»), spukt der Mythos jener utopischen Landschaft durch die europäische Literaturgeschichte. Am Ende seines neuen Stücks lässt auch Jaroslav Rudiš Böhmen und Sachsen im Meer versinken, und nur ein Ort, der «Teufelsberg», ragt noch aus dem...
And this is where the script ends ...» bekennt Orit Nahmias, das Bühnen-Alter-Ego von Yael Ronen, in deren letztem Stück «Yes but No» etwa nach der Hälfte der Aufführung. Das Publikum hat bis zu diesem Zeitpunkt eine hochaktuelle Auseinandersetzung mit dem Sprechen über Sex, Macht und Missbrauch im Verhältnis der Geschlechter nach #MeToo erlebt. Es hat Ausbrüche...
«There’s no time here, not any more.»
Mark Fisher
Vielleicht hat selten jemand Foucault so konsequent und düster zu Ende gedacht wie Mark Fisher, vielleicht hat es auch kaum jemand wirklich ausgehalten, ihn so zu Ende zu denken, wie man sagt, zu Ende denken, wenn es das überhaupt gibt, etwas zu Ende denken, jemanden zu Ende denken, überhaupt etwas irgendwann zu...