Wie wird man verrückt?
Ein schwules Paar zeugt mit einer schizophrenen Frau ein Kind: ein extremes Beispiel der unübersichtlichen Beziehungsmöglichkeiten und der neuen Reproduktionsfreiheit. Thomas Melle stellt in seinem neuen Stück «Aus euren Blicken bau ich mir ein Haus» ein Trio infernale von der Peripherie der Gesellschaft in den Mittelpunkt der Bühne. Am Rand des Systems zeigen sich kritische Entwicklungen des Zentrums schneller und deutlicher. Das Stück bedient mehr als den Voyeurismus der Normalbürger.
Auch das gesellschaftliche Norm-Individuum soll heute ja Planungszentrum der eigenen Bastelbiografie sein.
Das Stück propagiert aber auch nicht die neue Geborgenheit in der Regenbogenfamilie, für die die Kleinfamilie ein altes Konstrukt ist. Es zeigt die selbstsüchtige Bosheit, die hinter solch einem Projekt stecken kann. Birger und Kevin, das schwule Paar, bringen Dorte, die schizophrene Frau, in die geschlossene Psychiatrie, lassen deren halbfertiges Haus abreißen und bemächtigen sich des Sorgerechts für das Neugeborene. Ihre Motive sind eine unentwirrbare Mischung aus Fürsorge, Rache und Selbstbestätigung.
Das Stück entfaltet seine Themen mit einem bunten Wechsel von boulevardreif zugespitzten ...
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Theater heute Juni 2013
Rubrik: Chronik, Seite 60
von Gerhard Preußer
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