
John Heffernan (George) und Gawn Grainger (Charles) in «Saint George and the Dragon» von Rory Mullarkey, National Theatre, London
«Wer sind wir?»
Das erste offizielle Brexit-Stück – ohne dass das «B-Wort» je fallen würde – ist Mike Bartletts neuester Wurf mit dem programmatischen Titel «Albion» am Almeida Theatre: eine Subversiv-Variante der Tschechowschen Familie auf dem Lande, die am Ende einer Ära in eine Identitätskrise schlingert.
Doch hier zieht die (erfolg)reiche Unternehmerin Audrey Walters mit unterspanntem Mann und überdrehter Tochter nicht nach Moskau, sondern von London aufs Land, um sich einem neuen Projekt zu widmen: Sie will Albion, einem verfallenen Garten, an den sie sich aus ihrer Kindheit erinnert, wieder zu alter Größe verhelfen und ihn genauso bepflanzen, wie er einst war. Im Almeida reicht er mit tiefgrünem Echt-Rasen und Grenzbeeten wie eine Insel in den Zuschauerraum. So weit, so unsubtil, aber erstmal lustig. Alle drei Walters haben den sprichwörtlichen, irritierenden «sense of entitlement» der britischen Elite: Victoria Hamiltons Audrey steht bei Ankunft selbstzufrieden mit Gummistiefeln im Gras, Gartenschere in der Hand, und trompetet ihre ambitionierte Vision für Albion in die Gegend, während sich Ehemann und Tochter unter der großen Eiche in der Februarsonne gelangweilt an einer Tasse Tee wärmen. ...
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Theater heute Februar 2018
Rubrik: International, Seite 42
von Patricia Benecke
Neue Stücke
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