Vergessene Stimmen
Fast schien es, die Münchner Kammerspiele wären nach dem langen Lockdown ganz in ihren vielen sozialpolitischen Engagements auf den verschiedenen Plattformen und Kanälen aufgegangen und als Theater von der Bildfläche verschwunden, da sind sie plötzlich doch wieder da, auf der Bühne, mit zwei sperrig glitzernden Projekten, die zwar auch ganz im Sinne der feministischen Agenda der Wiederentdeckung vergessener weiblicher Stimmen funktionieren, dabei aber auch künstlerisches Standing mitbringen, um als Neustart – nun endlich doch noch – gewertet zu werden.
Den Anfang macht Hausregisseurin Pinar Karabulut mit einem Spaziergang oder besser gesagt: einem wilden Ritt durch das Werk der Schriftstellerin Gisela Elsner (1937–1992), präsent heute den meisten vor allem durch den eindrucksvollen Film «Die Unberührbare», den ihr Sohn Oskar Roehler mit (der nicht verwandten) Hannelore Elsner über die letzte von Drogenrausch und emotionaler Entwurzelung geprägte Phase im Leben seiner Mutter gedreht hat.
Als «höhere Tochter» eines Siemens-Managers aus Nürnberg in großbürgerliche Verhältnisse hineingeboren, rebelliert Elsner bereits als Schülerin gegen den erstickend autoritären Wohlanstand des ...
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Theater heute August/September 2021
Rubrik: Aufführungen, Seite 17
von Silvia Stammen
1.
Hören Sie mir beim Nachreden zu. Ich kann mir nichts erklären, was nicht andre schon erklärt haben. Ich kann kein Verhalten zeigen, aus dem man etwas erkennen könnte. Sie werden nie entscheiden können, was ich ursprünglich geschöpft, erfahren, errungen habe und was abgeschrieben und nachgeredet ist. Ich drehe das Licht an, schlage die Zeitung auf und schreibe...
Die fettige Langhaarperücke über der hohen Stirn, die Gänge mit freiem Oberkörper in ausgeleierten Shorts, das maulige Muss-wohl-auch-mal-ne-Jeans-Drüberziehen, wenn’s denn sein soll, diese ganze durchweg herabgedimmte Haltung, mit der Joachim Meyerhoff mal hier, mal dort auf der Bühne lungert, da weiß man, selbst wenn man den Roman noch nicht gelesen hat: Wird...
Volker Klotz, 90 Jahre alt und noch immer emsig unerforschte Erzählstrukturen, obskure Märchenmotive und unerhörte Künste entdeckender Literaturhistoriker, Dramaturg und Theaterkritiker hat kürzlich seinen immer unkonventionell gestalteten Studien- und Handbüchern über die Operette, über Possen und bürgerliches Lachtheater, zur Radikaldramatik, zur Dramaturgie des...