Vergangenheitsschrott und Zukunftsmüll
1815 bricht auf der indonesischen Insel Sumbawa der Stratovulkan Tambora aus. Mit einer so gewaltigen Intensität kehrt die Erde ihr Innerstes nach außen, dass das ausgestoßene Material zu weitreichenden Wetterveränderungen in Nordamerika und Europa führt. Die vulkanische Asche verdunkelt den Himmel, und das Jahr 1816 geht als «Jahr ohne Sommer» in die Geschichte ein.
Am Genfer See ist der Urlaub von Lord Byron, seinem Leibarzt John Polidori, der jungen Mary Goldwin, später Mary Shelley, gründlich verhagelt: «Lasst uns Gruselgeschichten schreiben», ruft der Dichter aus, und im ausbleibenden Sonnenlicht des düsteren Sommers entstehen die erste Vampirgeschichten der Literatur und die Fantasie vom künstlichen Menschen «Frankenstein». Später wird Byrons Tochter, die Mathematikerin Ada Lovelace, erste Schritte der Programmierung von Maschinen gehen und das digitale Zeitalter einläuten.
1819 ersticht der Burschenschaftler Carl Ludwig Sand den reaktionären Dichter August von Kotzebue für die liberal-nationalen Ideen des Vormärz und verübt damit das erste politische Attentat der deutschen Geschichte, dessen Instrumentalisierung und Heroisierung die rechte Szene betreibt, beispielsweise ...
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Einer der Gründe, warum die Volksbühne des Vierteljahrhundertintendanten Frank Castorf bei ihren Fans Ewigkeitsrechte genoss, war und ist: P14. Der Jugendclub des Hauses hat sich seit seiner Gründung 1993 den Ruf erworben, die eigenwilligste, autonomste, unpädagogischste, unverschämt beste Talenteschmiede unter der Sonne zu sein. Mindestens. Bei P14 hatte man die...
In den letzten Jahren hat sich der Gegenstand postkolonialer Kritik in den darstellenden Künsten von der Vorder- auf die Hinterbühne erweitert. 2019 reicht es hierzulande nicht mehr aus, ein Stück, eine Performance, ein Panel oder ein Festival zu rassismuskritischen oder postkolonialen Inhalten zu veranstalten, ohne die inhärente Kolonialität der eigenen...
«Zwei Jahre klingen lassen.»
Dies möchte der Schweizer Schlagzeuger und Komponist Fritz Hauser immer mal wieder in seine Partitur schreiben, wenn es um einen abschließenden Gong- oder Beckenschlag geht. Wer Hauser kennt, weiß, wie er zu dieser Vorstellung kommt. Wer ihn nicht kennt, erfährt durch diesen eigentümlichen Wunsch einiges über Hausers Wesen. Er hat als...