Sidi Larbi Cherkaoui «Vlaemsch (chez moi)»

St. Pölten

Spätestens seit Produktionen wie «Myth» oder «Foi» ist «Identität» zu seinem Lieblingsthema geworden. Sidi Larbi Cherkaouis jüngste Kreation «Vlaemsch» ist in diesem Kontext insofern besonders, als sie eine ganz spezifische nationale Identität in den Blick nimmt.

Was bedeutet es, in Belgien flämisch zu sein? In einem Land, das bis an den Rand des Auseinanderbrechens mit seinen multiplen Identitäten beschäftigt ist, hat das Sujet für den in Flandern aufgewachsenen Choreografen obendrein eine persönliche Note, schließlich ist er Sohn eines marokkanischen Vaters und einer flämischen Mutter.

In Belgien ist das Wort «Vlaemsch» negativ konnotiert. Man assoziiert damit das flämische Emanzipationsstreben in der Zeit zwischen den Weltkriegen, das im Zweiten Weltkrieg schließlich zur ideologischen Kollaboration mit der deutschen Besatzungsmacht führte. Seit der Nachkriegszeit haftet dem Begriff dieser Makel an. Die berechtigte Unzufriedenheit des niederländischsprachigen Bevölkerungsteils angesichts seiner untergeordneten Rolle in einem Land, das lange Zeit nur das Französische als Kultursprache gelten ließ, wurde automatisch zum Synonym für «rechts». 

Nun besteht die Ironie der Geschichte ...

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Tanz August/September 2022
Rubrik: Kalender, Seite 40
von Pieter T'Jonck

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