Sehnsucht und Vertreibung
Er ist so etwas wie der Schutzheilige bajuwarischer Widerständigkeit, ein «ohdrahter Hund», was so viel wie ausgekochtes Schlitzohr bedeutet oder freundlicher: ein freigeistiger Grantler. Hat doch der Brandner Kaspar den Tod – im Bayerischen der Boan(d)lkramer – erst mit einer Flasche Kirschgeist zum Trinken verführt, um ihm darauf beim Kartenspiel ein paar zusätzliche Lebensjahre abzuluchsen.
Als die sich dann krankheits- und einsamkeitsbedingt doch etwas ziehen, lässt er auf einen Probeblick ins Paradies einladen und will dann prompt nicht mehr zurück, weil Familie und Freunde schon dort sind, die himmlischen Wälder voller Wild und ihn hienieden sonst eh nichts mehr hält.
Erfunden hat die Figur Franz von Kobell, ein Münchner Professor der Mineralogie, passionierter Jäger und Pionier der Fotografie, in seiner Mundart-Erzählung «Die G’schicht vom Brandner Kasper» aus dem Kriegsjahr 1871, als die ärmliche Bergregion um den Tegernsee begann, sich allmählich als ländliches Idyll für preußische Sommerfrischler neu zu erfinden. Zum unsterblich renitenten Theaterhelden wurde er später durch Kobells Ururgroßneffen, den Autor und Regisseur Kurt Wilhelm. Der schuf 1975 eine mit bäuerlichem ...
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Theater heute August-September 2025
Rubrik: Aufführungen, Seite 22
von Silvia Stammen
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