Rituale: Nora Kimball-Mentzos
Meinen allerersten Auftritt hatte ich im Corps de ballet, hinterste Reihe, Mitte rechts, zur Polonaise im dritten Akt von «Eugen Onegin». Vor der Premiere auf der Bühne des Opernhauses sprachen mir verschiedene Kompaniemitglieder ihr «Toi, toi, toi» aus – neu gewonnene Freunde, die mir Glück wünschten und mich mit kleinen Geschenken bedachten. Schon damals hatten diese Gesten etwas von einem Vorbereitungsritual, das ich auch jetzt noch, viele Jahre später, praktiziere.
Heute sind meine Auftritte seltener geworden, doch noch immer begleitet mich mein liebster Talisman auf all meinen Wegen zu den großen und kleineren Bühnen dieser Welt, egal wie aufwendig das jeweilige Projekt ist.
Ich bekam ihn von Reid Anderson und Dieter Gräfe geschenkt, meinen roten Meditations-Esel. Er hat mich seither durch alle meine Kompaniewechsel und beruflichen Veränderungen begleitet und mir dabei geholfen, trotz meiner hohen Anspannung und Nervosität den Fokus nicht zu verlieren und mich in turbulenten Zeiten zu erden. Einen -Namen habe ich ihm nie gegeben, aber ich empfinde ihn als männlich. Eines Tages entdeckte ich ihn plötzlich vor dem Warm-up an der Stange, etwa eine Stunde vor Vorstellungsbeginn. ...
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Tanz Jahrbuch 2019
Rubrik: Glücksbringer, Seite 12
von
ich habe keinen talisman. ich habe auch kein kontinuierliches ritual. es gibt jedoch gedanken, die oft hochkommen, kurz bevor ich auf die bühne gehe. ich denke an meine grossmutter, die schon lange nicht mehr lebt, an ihre energie und lebensfreude, ihren blick, wie sie mich und meine ersten tanzversuche im wohnzimmer am attersee beobachtet hat und so glücklich war,...
Spätestens seit der Ära der Ballets russes saugt der Bühnentanz neue Einflüsse auf und revitalisiert sich dadurch selbst. Waren es erst die emotionale Tiefenbohrung des Ausdruckstanzes, dann Spielarten modernen und zeitgenössischen Tanzes, die durch -ihre größere Freiheit im Umgang mit dem Körper auch den Bühnentanz in ein erweitertes Aussagespektrum drängten, so...
Im September 1993 vor der Premiere von «Nine Songs» erhielt ich in meiner Garderobe ein Geschenk: eine vergoldete Buddha-Statue im Thai-Stil. Anstatt sie mit nach Hause zu nehmen, beschloss ich, sie bei meiner Kompanie, dem Cloud Gate Dance Theatre of Taiwan, zu belassen. Wir errichteten ihr einen kleinen Schrein in unserem Studio und huldig-ten ihr jeden Tag. Da...