Reis für die Welt!
Wer zur Begrüßung auf Blütenkränze und Hula-Mädchen gehofft hatte, wurde enttäuscht. Stattdessen hat sich ein finsteres Empfangskomitee vor der Bühne des Stuttgarter Theaterhauses aufgebaut. Gut ein Dutzend streng dreinschauende Polynesier in Smoking und Abendkleid fixieren zehn Minuten lang das Publikum, so als wolle man gleich einmal klarstellen, dass Südsee-Klischees hier keine Chance haben.
«Paradise», so heißt die Produktion der südpazifischen Tanz-Theater-Truppe MAU mit Sitz in Neuseeland, die das Programm des diesjährigen «Theater der Welt»-Festivals sozusagen vom entlegensten Punkt aus eröffnet – und natürlich ist das Paradies, das hier beschworen wird, ein längst verlorenes, geschändet durch Krieg, Kolonisation und die Atomversuche der Westmächte bis weit in die neunziger Jahre hinein. Doch Lemi Ponifasio, der aus West-Samoa stammende Begründer und Leiter der Gruppe, zielt nicht in erster Linie auf eine politische Abrechnung mit den Besatzern. MAU bedeutet auf Samoanisch «Visionen» und ist zugleich der Name der Befreiungsbewegung, die Western Samoa 1962 nach kurzer deutscher und längerer neuseeländischer Herrschaft als erstem Inselstaat der Südsee zur Unabhängigkeit ...
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Theater heute August/September 2005
Rubrik: Festivals Theater der Welt, Seite 4
von Silvia Stammen
In seinem mittlerweile legendären Aufsatz «Art and Objecthood» von 1967 stellt der Kunstkritiker Michael Fried dem Minimalismus eines Robert Morris oder Donald Judd ein vernichtendes Zeugnis aus. Sie verrieten, so Fried, nicht nur die Malerei und Skulptur, sondern die Kunst überhaupt ans Theater. Ihre Objekte suchten nach Bühnenpräsenz. Statt erfüllter Gegenwart...
Ein Titel allein reicht nicht. Das Projekt ist kompliziert, es muss erklärt werden, es braucht einen Untertitel. «Ein deutsch-polnisches Stück mit Bankräubern jenseits der 70» lautet er – und ist schon falsch. Denn Bankräuber spielen natürlich nicht mit, auch keine ehemaligen, nur deutsche und polnische Schauspieler, Profis und Laien. Der Untertitel ist nichts als...
Im August letzten Jahres konnte der Bayerische Rundfunk mit einer kleinen Sensation aufwarten. Dort waren Bänder gefunden worden, auf denen Fritz Kortner Teile seiner 1959 veröffentlichten Autobiographie unmittelbar nach deren Erscheinen gelesen hatte. Fünf Stunden, von denen lediglich 40 Minuten damals gesendet wurden. Fünf Stunden, von denen so mancher von...