Queering the narrative
Es geht um viele erste Male in Leonie Lorena Wyss’ Stück «Blaupause»: die erste Menstruation. Die erste Zigarette. Die erste Masturbation. Das erste Mal in einem Film sehen, wie sich zwei Frauen küssen, und das erste Mal die Farbe Blau entdecken. Und fast ganz am Ende, da geht es darum, das erste Mal laut einen Satz auszusprechen: «Ich habe eine Freundin.» Bis zu dieser Stelle haben wir schon eine ziemlich präzise Ahnung bekommen von der Welt der Protagonistin – und nicht nur von der Welt, die sie umgibt, sondern auch von der Welt, die ihre Gedanken ausmachen.
Genug auf jeden Fall, um schmerzhaft zu wissen, dass dieser Satz «Ich habe eine Freundin» für die Ich-Erzählerin alles andere als leicht und selbstverständlich ist.
Ja, es stimmt, dass es durchaus positive Entwicklungen in unserer Welt gibt – und zu diesen positiven Entwicklungen gehört mit Sicherheit, dass starre Identitätskonstrukte immer mehr ins Rutschen kommen und offener über Homo- oder Transsexualität gesprochen wird. Es stimmt aber leider auch, dass gerade bei Jugendlichen zwischen dem inneren und dem äußeren Coming-Out immer noch durchschnittlich mehrere Jahre vergehen. Und dass queere Jugendliche nicht nur ...
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Theater heute Jahrbuch 2023
Rubrik: Neue Stücke, Seite 164
von Lene Grösch
Wir alle wissen: Die Welt wäre ökologisch schon längst und gleich mehrfach gegen die Wand gefahren, würde die gesamte Weltbevölkerung so leben, wie wir es hier in Deutschland tun. Auch ohne dies ist der Aufprall nicht mehr fern und kaum aufzuhalten. Das lässt viele verzweifeln und wenige rebellieren. Und so praktiziere auch ich meine ganz persönliche verzweifelte...
Und natürlich könnte ich hier jetzt mit großer Geste die Utopie eines Theaters des Verzichts proklamieren. Was braucht es denn mehr als die paar Bretter, die die Welt bedeuten, und ein paar Leute, zur Not auch Lai:innen, die sich da rauf stellen, um uns hier unten zu belustigen. Wir packen ein paar Kostüme auf den Leiterwagen und ziehen los, ganz wie in alten...
Ein Lieblingssatz meiner Großmutter (Jahrgang 1923) war: «Besitz belastet.» Ein Gefühl, das jeder kennt, der in übervolle Kleiderschränke schaut oder sein Auto reparieren lassen muss. Freilich hatte meine Großmutter keine konsumkritische Haltung im Sinne, noch dachte sie an den gigantischen Ressourcenverbrauch im Dienste unserer heutigen Produktpaletten, die uns...