Ok, Boomer!
Wenn du mit mir reden könntest, was würdest du sagen?», fragt Nicola ihren Freund Christof zu Beginn des Stücks. Christof ist Anfang Zwanzig, an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt und liegt im Sterben. Ein letztes Mal möchte Nicola mit ihm einen Tag verbringen – so wie früher, als er noch gesund war. Sie nimmt ihn mit auf eine imaginäre Reise an jene Orte, die ihnen etwas bedeutet haben: das Café, in dem sie sich kennenlernten, ihre alte Schule, das Schwimmbad, der Fernsehturm. Noch einmal tanzen und miteinander schlafen.
Die Intensität ihrer Erlebnisse feiert ihre tiefe Verbundenheit voller Lebensfreude. Glücklich, den Planeten endlich zu verlassen, verabschiedet sich Christof schließlich mit sarkastischem Humor, denn «die ganze Welt wird brennen. Ich bin froh, dass ich hier rauskomme, ehe ich mir den Scheiß anschauen muss.»
In dieser Reise durch die Stadt begegnen wir Menschen, die Christof nahestehen. Da ist Walter, Christofs Vater, der den Unfalltod seiner Frau nicht verwunden hat und den Anblick seines sterbenden Sohns nicht erträgt. Der in Schwermut versinkt und sich in seine Arbeit als Automobilverkäufer flüchtet. Und Christofs Onkel Matheus, der wegen Besitzes von ...
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Theater heute Jahrbuch 2023
Rubrik: Neue Stücke, Seite 161
von Ingoh Brux
Etwas sträubt sich in uns gegen die öffentliche Rede vom persönlichen Verzicht. Es erinnert an Kardinaltugenden, an die Mäßigung, die Platon insbesondere dem unteren Stand verordnet. (Die oberen Stände dürfen sich um Weisheit und Tapferkeit kümmern.) Soll wirklich jede:r bei sich selbst anfangen? Ist die Rede vom individuellen Verzicht nicht der unpolitische...
Wir muten uns dem Planeten, der Natur, allen anderen Lebewesen so gnadenlos zu, dass ein persönlicher Verzicht eigentlich gar keine Kategorie mehr sein kann. Wir greifen nach immer mehr, wollen immer mehr Macht in allen Bereichen. Wir richten uns in immer höheren Ansprüchen ein, deren minimale Reduzierung uns dann schon als Opfer erscheint. Wirklicher Verzicht...
Jedes Kind kennt Ödipus. Der bekannteste Vatermörder, Mutterliebhaber und Rätsel -löser aller Zeiten wird seit jeher in den unterschiedlichsten Disziplinen mit einem Höchstmaß an interpretatorischer und künstlerischer Aufmerksamkeit bedacht. Doch nicht so seine Eltern Laios und Iokaste. Insbesondere der Vater Laios, der in der Tragödie «Ödipus Tyrannos» von...