Mystische Weltmusik
Würde nicht André Szymanski diesen Jakob spielen und das mit einer so überzeugend lässigen Ernsthaftigkeit, mit einem so nachdenklichen, ruhigen Ton, dann wäre man am Ende etwas verstimmt. Denn an den Schluss ihrer Inszenierung der «Jakobsbücher» setzt Ewelina Marciniak einen Kommentar, der den titelgebenden Helden wohl auf den Boden der feministischen Tatsachen zurückholen soll. Bis dahin sind ihm schon Tausende gefolgt, haben in ihm einen Messias gesehen, einen Visionär. Bis dahin ist er aus Polen geflohen, hat die Religionen gewechselt wie manch anderer seine Socken.
Jetzt, am Ende seiner Reise, gibt Marciniak ihm Raum für ein Zwiegespräch mit seiner Tochter Ewa (Rosa Thormeyer). Er wünsche sich einen weiblichen Messias herbei, eine «Messiasin, heißt es so?», und will «ein neues Wort erschaffen, das zu einer neuen Welt passen wird». Zufrieden legt er dann den Kopf in Ewas Schoß, ihr platinblondes Haar schließt sich wie ein Vorhang um die beiden.
Am Schluss taucht es also noch auf, das Gender-Thema, der feministische Impact. Und man ist geneigt, diesem Jakob sein halblautes Sichselbst-Hinterfragen wohlwollend durchgehen zu lassen. Doch so ganz wird man das Gefühl nicht los, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Theater-heute-Artikel online lesen
- Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Theater heute November 2021
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Katrin Ullmann
Bei der Frage nach der Kostümbildnerin des Jahres hat sich Katrin Wolfermann schon mal in eine recht gute Position gebracht. Sandra Gerlings Gruschenka trägt in Oliver Frljics Inszenierung von Dostojewskis «Die Brüder Karamasow» am Deutschen Schauspielhaus Hamburg ein von Wolfermann entworfenes Kleid, irgendwo zwischen Trauerflor und Bondage-Geschirr, und als sie...
Als ich vor neun Jahren nach Berlin kam, hieß eine der ersten Empfehlungen: «Du musst das k-fetisch auschecken.» Auf der Internetseite des k-fetisch schreiben die Mitglieder des Kollektivs: «Wir alle teilen einen feministischen und anti-rassistischen Grundkonsens. Unsere diversen politischen Überzeugungen sind in diesen Laden geflossen und werden auch immer mal...
Ein schicker Bungalow steht in der Zürcher Schiffbauhalle, mit Glasfront, schmalem Patio, Einbaubecken davor, Stierskulptur und Whirlpool auf der Dachterrasse. Beim Einlass wird man durch den Mittelgang geschleust, in dem verkrümmte Cowboys am Boden liegen, und schaut en passant im Glaskubus einem heterosexuellen Paar beim Live-Sex zu. Der Einbezug ausgewiesener...