Mülheim: Verfallsfreuden
Eine goldene Parallelwelt, einen elitären Schuhkarton des Reichtums hat die Bühnenbildnerin Ramallah Aubrecht im Theater an der Ruhr in Mülheim geschaffen. Grandios realitätsentrückt bauschen sich die glitzernden Lamettafäden, wenn die Windmaschine im «Shitstorm» anspringt, ansonsten sieht der Bühnenraum aus wie ein vergoldetes Gefängnis: eine Kitschfalle, hermetisch abgeschottet, unerreichbar für Realität, ein schönes Bild für die Abgehobenheit des Trump-Milliardärsuniversums – ohne dafür ein blondes Haarteil oder sonst ein direktes Nachrichtenbild zu verwenden.
Auch Elfriede Jelinek verwendet bekanntlich den Namen Donald Trump in ihrem Stück der Saison «Am Königsweg» nicht, beklagt statt dessen eine Welt in Verfall und kindlicher Regression, die nach trivialster Täuschung und einer ablenkenden Autoritätsfigur hungert – und sich damit selbstverschuldet jenen Menschen einbrockt, der vielleicht mal als perfekte Ausgeburt des Spätkapitalismus in die Geschichte eingehen wird. Wenn es so etwas wie Geschichte dann noch gibt. Mit Gold übergossen sind auch die vier Mitglieder zu Hofe, die durch Seitenaltäre auf die Bühne kommen, maskulin entspannt und allzeit bereit in Bademäntel ...
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Theater heute April 2018
Rubrik: Chronik, Seite 58
von Dorothea Marcus
Die U-Bahn ist der neue Underground. Jedenfalls in den jüngsten Bühnenbildern des serbischen Szenografen Aleksandar Denic, der Frank Castorf schon für sein Jahrhunderte überspannendes «Faust»-Paris den Eingang der Metrostation «Stalingrad» nachgebaut hat. Diesmal geht es auf der Bühne des Hamburger Schauspielhauses unterhalb eines riesigen «Camel»-Billboards in...
wir begreifen die ruinen nicht eher,
als bis wir selbst ruinen sind.
heinrich heine
gelobt seist du niemand
paul celan
das stück spielt in keinem garten nahe wien, der von keinem zaun umgeben,
in dem keine exotischen gewächse sich ranken.
zwischen keinen blüten, die keine verführerischen düfte verbreiten
und keinen früchten, die nur der zierde dienen.
in keinem...
Die Frage, ob Shylock gut oder böse ist, ist erledigt. Shakespeares «Kaufmann von Venedig» kann im deutschen Theater nur ein Stück über Antisemitismus sein, kein antisemitisches Stück. Also kann Shylock heute nur beides sein: gut und böse. So will es auch Roger Vontobels Düsseldorfer Inszenierung. Mehrdeutig will sie sein, eine «Gesellschaftsüberprüfung», so...
