Köln: Katzenjammer

nach Goethe «Faust I», Hannah Moscovitch «Kleines»

Dieser Faust hat es in den Fingern, mit denen er in die Tasten greift. Der Wort- und Tatmensch als Pianisten-Nerd, so dass man den schlaksig-schlaffen Philipp Pleßmann anfangs für einen Adrian Leverkühn, einen ins Musikalisch-Dämonisch gewendeten Künstler halten könnte. Aber der zwölftönende Doktor Faustus würde sich kaum wie der Kölner Bühnen-Bruder, der an seinem Instrument hockt wie Georg Kreisler, ins gelegentlich angejazzte klassische Repertoire flüchten.

Es dominiert denn auch ein Konzertflügel die Spielfläche im Schauspiel-Depot (Bühne Christian Beck) und später noch ein Klavier, auf dem Gretchen «Meine Ruh ist hin» klimpert oder sich in Leidensübungen hineinwindet.

Moritz Sostmann gibt mit Mensch und Puppe gleich zu erkennen, dass er von Goethes Drama des Wissen-Wollens, der Lust und Qual der Empirie und des fortwährenden Drangs nichts wissen will. Fausts Monolog fällt als «Bla Bla Bla» aus seinem Munde. Liebe ist nur ein Schnulzen-Wort – und mit der Sprache nicht viel los. Nachlässige, vernachlässigte, verlaberte Kommunikation, demontiert zu Bruchstücken, ob nun der leiernde, schnarrende Faust in der Studierstube mit einem muskelprotzig-blöden Famulus disputiert, den ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Theater heute? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Theater-heute-Artikel online lesen
  • Zugang zur Theater-heute-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Theater heute

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Theater heute April 2017
Rubrik: Chronik, Seite 57
von Andreas Wilink

Weitere Beiträge
Hamburg: Ritual, Baby!

Jan-Peter Kampwirth findet Freimaurer klasse: «In einem ganz normalen Händedruck liegt da eine große Verbindlichkeit!» Mitglied kann er aber leider keines werden, weil er Katholik ist – bei einer elitären Geheimgesellschaft darf nicht jeder mitspielen. Papstgläubige nicht. Und Frauen auch nicht. Das findet Gala Othero Winter un­gerecht, aber Kampwirth wiegelt ab:...

Von Würsten und Windhunden

Er musste tatsächlich damit gerechnet haben. Sehr lässig schlenderte Georg Friedrich auf die Bühne zur Preisverleihung, auf dem Kopf die Schiebermütze, im Ohrläppchen den Knopf, um den Hals die Krawatte, baute sich hinter dem Sprechpult auf und pulte sich das Kaugummi aus den Zähnen, um es sorgfältig auf der Tatze des Silbernen Bären festzukleben, den er gerade als...

Kütt et, wie et kütt?

Wilfried Schulz macht in der ersten Spielzeit seiner Düsseldorfer Intendanz deutlich, dass er die Diaspora-Situation des auf Ausweichspielstätten vertriebenen Schauspiels, die sich nun wohl über Jahre (mindestens bis 2020) hinziehen wird, nutzen will zur offensiven Verankerung in der Stadt. Alles will er – alle Stile, alle Publikumsschichten, alle Richtungen, alle...